Ein Wolf gibt mir seine Pfote

Besuch bei den Wölfen im Wolf Science Center (Foto Reinhard Sudy)Hat Ihnen schon einmal ein Wolf die Pfote gegeben, Ihnen direkt in die Augen gesehen oder sie mit der Nase angestupst? Vor einiger Zeit war ich im Wolf Science Center in Ernstbrunn in Niederösterreich, das im öffentlich zugänglichen Wildpark Ernstbrunn angesiedelt ist.

Es war ein unglaubliches Gefühl, den Wolf zu streicheln (Foto Manfred Staniek)
Es war ein unglaubliches Gefühl, den Wolf zu streicheln (Foto Manfred Staniek)

Ich war natürlich schon sehr neugierig, wie sich die Wölfe mir gegenüber verhalten werden, ob sie mich ‚akzeptieren‘ werden, und ich kann nur sagen: Es war ein wirklich unglaubliches Erlebnis, als mir ein Wolf seine Pfote gab, mich beschnüffelte und sich von mir streicheln ließ.

Bevor ich zu den Wölfen ins Gehege ging, wurden mir von den Tiertrainerinnen Marleen Hentrup und Cindy Voigt ein paar Regeln im Umgang mit den Wölfen erklärt. Die beiden kamen natürlich mit ins Gehege und hatten immer ein achtsames Auge auf mich.

Chitto wurde sehr neugierig, als Tala ihre Nase unter meine Achsel stieß und an mir schnupperte (Foto Reinhard Sudy)
Chitto wurde sehr neugierig, als Tala ihre Nase unter meine Achsel stieß und an mir schnupperte (Foto Reinhard Sudy)

Sehr spannend wurde es dann, als ich mich hinhockte und die Wölfin Tala an mir schnupperte, ihre Nase unter meine Achsel stieß. Chitto fühlte sich dann auch genötigt zu schauen, was da Spannendes an mir ist, das Tala so faszinierte. So schnupperte auch er an mir und stellte dann seine Pfoten auf meinen Rücken. Marleen erklärte mir, dass irgendetwas an mir die beiden Wölfe interessierte – vielleicht war es mein Parfum.

Wolf Science Center: Chitto und Shima im liebenvollen Spiel (Foto Manfred Staniek)
Wolf Science Center: Chitto und Shima im liebenvollen Spiel (Foto Manfred Staniek)

Wolf Science Center (WSC)
Dieses Wolfsforschungszentrum ist natürlich nicht nur da, damit Menschen Wölfe hautnah sehen oder erleben können. Es ist ein Forschungszentrum, in dem Wissenschaftler die kognitiven Fähigkeiten von Wölfen und Hunden erforschen. Vergleichbare Daten zur Intelligenzleistung und Kooperationsfähigkeit von Wölfen und Hunden zu erhalten hilft zu erkennen, wie diese mit der Beziehungsebene und mit der wechselseitigen Wahrnehmung von Wölfen, Menschen und Hunden verwoben sind.

Wolf Science Center Ernstbrunn

Die Tiere kommen als Welpen im Alter von 10 Tagen ins Center. Wenn sie dann nach 12 oder mehr Tagen erstmals die Augen öffnen, sehen sie einen Menschen. Deshalb ist es auch überhaupt möglich, dass diese Wölfe den Menschen derart akzeptieren und vertrauen. Sie hören übrigens früher als sie sehen können.

Die süßen kleinen Wölfe kommen im Alter von 10 Tagen ins Wolf Science Center. Hier Amarok (Foto Wolf Science Center)
Die süßen kleinen Wölfe kommen im Alter von 10 Tagen ins Wolf Science Center. Hier Amarok (Foto Wolf Science Center)

Wie mir Tiertrainerin Marleen Hentrup erklärte, wird grundsätzlich jeglicher Konflikt mit ihnen von klein auf vermieden. Wölfe und Hunde werden täglich trainiert: sie lernen Sitz, Platz, Pfote geben, sich überall anfassen zu lassen und an der Leine zu gehen. Sie bekommen dafür Leckerlis und sie haben die Gelegenheit, einmal etwas anderes als die „vier Wände“ ihrer eigenen Gehege zu sehen. So entwickeln sie eine generelle Kooperationsbereitschaft mit uns Menschen – und natürlich untereinander.

Tiertrainerin Marleen Hentrup erklärt, dass Wölfe und Hunde täglich trainiert werden (Foto Manfred Staniek)
Tiertrainerin Marleen Hentrup erklärt, dass Wölfe und Hunde täglich trainiert werden (Foto Manfred Staniek)

Natürlich gibt es soziale Zuwendung für die handaufgezogenen Wölfe und Hunde, was die gerne mögen. Wichtig ist aber, dass sie nie dominiert werden, es wird ihnen nichts weggenommen und sie werden kaum unter Druck gesetzt. Sie wissen, dass bei rudelinternen Auseinandersetzungen niemals Partei ergriffen werden wird. Zusätzlich zu den Übungen nehmen die Tiere regelmäßig an Verhaltenstests teil – sicherlich eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen. So müssen sie ihren Grips anstrengen um sich Futter zu verdienen, was ihnen Spaß zu machen scheint.

Kalender

Profilerin Patricia Staniek
Auf das Wolf Science Center brachte mich die Profilerin Patricia Staniek. Sie erzählte mir beim Interview von ihren Seminaren gemeinsam mit Managern und Wölfen – denn das Verhalten der Wölfe in Gefangenschaft ähnelt sehr der Struktur im Management.

Die bekannte Profilerin Patricia Staniek arbeitet in ihren Seminaren mit Managern und Wölfen.
Die bekannte Profilerin Patricia Staniek arbeitet in ihren Seminaren mit Managern und Wölfen.

Wie ich bei meinem Besuch selbst erleben konnte, sind die Wölfe um mich herumgeschlichen und haben mich mit ihren faszinierenden Augen fixiert. Patricia erklärt: „Im Wolfsrudel zählt die Karriere der Manager nicht, nichts was draußen wichtig scheint, interessiert hier. Nur die blanke Persönlichkeit zählt. Und die erkennen die Wölfe sofort. Der Mensch wird reduziert auf das was er ist“.

Als Coach beobachtet Patricia die Interaktion der Manager mit den Wölfen. „Ich beobachte Ihre Körpersprache, Ihr Sprachverhalten und die Reaktion der Wölfe auf Sie. Der Rudelbesuch wird von Kameras begleitet. Zur Selbstreflexion bekommen die Seminarteilnehmer den Videoclip vorgespielt, sie erhalten Feedback, üben alte Muster loszulassen, setzen sich Ziele und starten den nächsten Versuch im Wolfsrudel“.

Wölfe entscheiden selbst, ob der Mensch den Kontakt mit ihnen "verdient" hat (Foto Manfred Staniek)
Wölfe entscheiden selbst, ob der Mensch den Kontakt mit ihnen „verdient“ hat (Foto Manfred Staniek)

Wölfe lassen sich nicht führen. Sie entscheiden, ob der Mensch aufgrund seines Verhaltens den Kontakt mit ihnen verdient hat. „Viele Führungskräfte schaffen es nicht, gute Beziehungen zu Ihren Mitarbeitern aufzubauen, da Sie Führung oft mit Autoritätsanspruch verwechseln. Bei den Wölfen ist es wichtig, gute Führungsqualitäten zu haben. Dort ist oft das Überleben vom Leitwolf abhängig, er ist zu 100% loyal gegenüber seinem Rudel. Bei Konflikten reagiert er schnell und deutlich. Der Leitwolf ist nicht immer der Stärkste oder Lauteste, aber der sozial Kompetenteste.“

Am Rande mit einem Lächeln bemerkt: Bei den Wölfen pinkelt der Alphawolf als einziger im Stehen mit erhobener Rute und erhobenen Bein.

Wolf Science Center: Tala ist eine sehr schöne Wölfin (Foto Manfred Staniek)
Wolf Science Center: Tala ist eine sehr schöne Wölfin (Foto Manfred Staniek)

2008 wurde eine dreiteilige Serie im Wissenschaftsmagazin Newton des ORF über das Wolf Science Center gedreht und 2009 ausgestrahlt. Breitere Bekanntheit erlangte das Zentrum im Frühjahr 2010, als die aus Kanada kommenden Wolfswelpen durch die Aschewolke des Vulkanausbruchs in Island mit Verspätung eintrafen. Im Dezember 2010 strahlte der ORF drei Folgen seiner Fernsehserie Universums über das Wolf Science Center aus.

www.wolfscience.at
www.managementpilots.com

 

Interview mit Tiertrainerin Marleen Hentrup
Marleen, wie lange arbeitest Du schon mit Wölfen und wirst Du in Zukunft auch andere Tiere trainieren?
Ich arbeite seit Januar 2010 im Wolf Science Center. Andere Tierarten zu trainieren interessiert mich schon, mein Hauptaugenmerk wird aber bei den Wölfen und Hunden bleiben. Zwischendurch trainiere ich sehr gerne Hühner, da diese ziemlich schnell lernen und ich meine Trainingstechniken dabei verfeinern kann. Ansonsten besuche ich gerne Seminare, bei denen man andere Tierarten trainieren lernt.

Wir waren mit Chitto, Tala und Shima im Gehege. Welcher dieser Wölfe ist für Dich der Lernfähigste?
Alle drei Wölfe sind sehr lernfähig, aber Chitto ist wohl der, bei dem man sehr präzise sein muss, sonst macht er nur noch das Nötigste. Er ist wahnsinnig schnell im Durchschauen von Aufgaben und wie er mit wenig Aufwand zum Ziel kommt.

Was war für Dich persönlich Dein schönstes Erlebnis mit einem Wolf?
Was ich immer wieder schön empfinde ist, wenn ich merke, dass ein Wolf mir wirklich vertraut und ich gemeinsam durch eine für den Wolf Angst einflößende Situation gehen kann. Es ist einfach toll, welch eine enge Bindung ein Wildtier bei richtiger Aufzucht zum Menschen aufbauen kann.

Du hast Dich mit zwei Kollegen als Tiertrainerin selbständig gemacht. Was ist für Dich die wichtigste Erkenntnis bei Deiner Arbeit mit Wölfen, die Dir jetzt hilft?
Ich habe mich gemeinsam mit zwei weiteren Hundetrainern in Wolksdorf im Weinviertel unter dem Namen DogSolutions selbstständig gemacht. Am meisten profitiere ich wohl von der feinen Kommunikation, die die Wölfe haben und einem sehr gut lehren, auf jede Kleinigkeit im Umgang mit ihnen zu achten. Außerdem muss man sich manchmal sehr unkonventionelle Wege ausdenken, um ein gewünschtes Verhalten zu trainieren. So kommen mir Trainingsideen gerade im Umgang mit sehr schwierigen Hunden, auf die ich ohne diese Erfahrung nicht zurück greifen könnte.

www.dogsolutions.at

Mit mir im Gehege waren:
Chitto – Der Clown des Rudels
ist ein Lebenskünstler, der das Leben nicht zu ernst nimmt und mit seiner hartnäckigen Freundlichkeit gegenüber höher gestellten Rudelmitgliedern meist bekommt was er will.
Er ist ein wahrer Sunny Boy, der mit seinem sanften Charakter jeden für sich gewinnen kann. Wenn es dennoch mal in einer Beziehung haken sollte, so gibt es für ihn nichts besseres als ausgelassen zu Spielen um die Wogen wieder zu glätten.

Tala Eristoff – Die Führungspersönlichkeit
hat mit 10 Monaten die Rudelführung von Shima übernommen. Anfangs war sie sehr überfordert, heute ist sie sehr gut in ihre Rolle hereingewachsen. Es ist  ihr jedoch immer noch sehr wichtig, regelmäßig klarzustellen, dass sie die Chefin ist.

Shima – Die schwarze Streberin
ist sehr intelligent, nicht nur wenn es um kognitive Fähigkeiten geht, sondern vor allem im Umgang mit Menschen.
Mit den Trainerinnen arbeitet sie lieb und vorsichtig und möchte Kommandos perfekt ausführen. Zart nimmt sie die Leckerlis aus der Hand, verständnisvoll wirkt ihr Blick.
Diese Wölfin wickelt jeden um den Finger.

 

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