Michael Koller – Architekt, Journalist und Reiseorganisator

Architekt Michael Koller zu Besuch in seiner steirischen Heimat (Foto Reinhard Sudy)Es ist ein angenehm sonniger Nachmittag, als ich Michael Koller im JOMA Fashion Conceptstore in Graz treffe. Der Architekt, Journalist, Reiseorganisator und sehr gute Netzwerker ist mit seiner sechsjährigen Tochter Carla wieder einmal auf Heimaturlaub. Sein 2-jähriger Sohn und seine Frau sind zu Hause in Den Haag geblieben.

Hedi Grager und Michael Koller im Grazer Conceptstore JOMA Fashion (Foto Reinhard Sudy)
Hedi Grager und Michael Koller im Grazer Conceptstore JOMA Fashion (Foto Reinhard Sudy)

Michael ist ein großgewachsener, sympathischer und vielseitig interessierter Mann.  Sein Studium beendete er nach Studienaufenthalten in Australien, Italien und Frankreich an der Technischen Universität in Graz. Darauf folgten mehrere Jahre als Architekt und Städteplaner in Marseille, ein postgraduales Studium am Berlage Institut in Rotterdam und seine Arbeit als Projektleiter in niederländischen Architekturbüros. Seit 2009 ist Michael selbstständiger Architekt, Journalist und Organisator von Studienreisen in Frankreich, Österreich und den Niederlanden

Immer schon Interesse am Reisen
Schon während seiner Schulzeit am Gymnasium in Köflach kam er mit dem Schulchor sehr viel herum und das machte ihm auch großen Spaß. Nach Matura und Bundesheer ging er dann für 9 Monate nach Australien und Neuseeland. Finanziert hat er sich alles selbst, wie er mir stolz berichtet. „In Australien habe ich mit einem Zimmermann zusammengearbeitet und da wusste ich plötzlich, dass ich Architektur studieren will. Auf so viele verschiedene Menschen zu treffen und die Welt kennen zu lernen, öffnet einem die Augen und bringt einen weiter“, meint er nachdenklich.

Schon das Reisen mit dem Schulchor machte Michael Koller viel Spaß (Foto Reinhard Sudy)
Schon das Reisen mit dem Schulchor machte Michael Koller viel Spaß (Foto Reinhard Sudy)

Schmunzelnd erinnert er sich, dass er sich während seiner Reise eine Liste mit Dingen aufschrieb, die er machen wollte. „Mittlerweile bin ich bei Punkt 5 von 25“, lacht er jetzt.

Von Australien zurück ging es im Rahmen des Erasmus-Programms nach Neapel. „Mein intensives Interesse fürs Ausland entstand sicherlich dort“, meint er, und erzählt lächelnd weiter: „Dort ist aber auch etwas Ungeplantes eingetreten. Ich habe eine Französin kennengelernt und mit ihr zusammengewohnt – mittlerweile ist sie meine Frau“. Da hat also ein Österreicher in Neapel seine französische Frau kennengelernt und sie leben in Holland, fasse ich zusammen. Wir lachen.
„Alexandra kommt aus Nantes, wo sie mit dem Geschichtsstudium begann, hat 3 Jahre lang in Neapel weiter Geschichte studiert und gearbeitet, dann ist sie zurück in ihre französische Heimat nach Aix-en-Provence, wo sie ihr Doktoratsstudium fortsetzte. Ich studierte in Österreich weiter. Wir haben eine Zeitlang eine Fernbeziehung geführt und nach einem Jahr stellten wir uns die Frage: ‚Was tun‘?“

Wettbewerb Hôtel de ville Gembloux (© Yaron Tam)
Wettbewerb Hôtel de ville Gembloux (© Yaron Tam)

Mit allen Bescheinigungen für die Anrechnung seines Studiums in Frankreich zog Michael 1997 dann los nach Marseille. „Nach Marseille deshalb, weil dort die Architekturschule Ecole nationale supérieure d’architecture ist und meine Frau mittlerweile dort studierte. So haben wir uns in Marseille niedergelassen, fertig studiert und zu arbeiten begonnen“, erzählt er weiter, „Alexandra als Volksschullehrerin und ich in verschiedenen Architekturbüros“.

Nach einigen Jahren in Marseille waren beide dort nicht mehr ganz glücklich und sahen sich nach neuen Herausforderungen um. „So bin ich auf das Berlage Institut in Rotterdam gestoßen“, erzählt Michael weiter. Er bewarb sich, wurde aufgenommen und zog 2005 nach Rotterdam, ein Jahr später folgte ihm seine Frau. 2008 zogen die beiden dann weiter nach Den Haag.

Cité de Métier, Lille (© Claus en Kaan Rotterdam)
Cité de Métier, Lille (© Claus en Kaan Rotterdam)

„Rotterdam ist keine schöne, aber eine sehr pulsierende und dynamische Stadt, die alles ausprobiert. Wenn etwas nicht funktioniert, machen wir was Neues, so die Rotterdamer. Sie ist definitiv spannender als Den Haag“, meint Michael. Er erzählt mit einem Schmunzeln: „Die Holländer sagen, Rotterdam macht Geld, Den Haag verwaltet es und Amsterdam gibt es aus“. Wir lachen.

Erfolgreiche 90er Jahre im Wohnbau
Die 90er Jahre waren eine Zeit, in der viele holländischen Architekten vor allem im Wohnungsbau groß wurden, erzählt mir Michael. Es gab viele progressive Projekte und es war die Zeit der Privatisierung der staatlichen Wohnbaugesellschaften – und es gab viel Arbeit. Die meisten holländischen Architekturbüros, die heute international bekannt sind wie UNStudio, MVRDV, Neutelings Riedijk Architecten oder KAAN Architecten sind damals groß geworden.

Sozialwohnungen ILOT M1, Marseille (© Tangram Architectes Marseille)
Sozialwohnungen ILOT M1, Marseille (© Tangram Architectes Marseille)

2008 kam mit der Finanzkrise die Kreditkrise, von der sich heute noch viele nicht erholt haben. Daher machte sich Michael 2009 selbständig und kennt natürlich die Problematik, als Newcomer an gute Projekte heranzukommen. „Holländer sind sehr strukturiert, die finanzielle Lösung kommt zuerst. Das war eine große Herausforderung für mich, denn in Marseille wird zuerst gebaut und macht sich dann erst Sorgen um die Finanzierung“, lacht er wieder.

Zugute kam ihm sein gutes Netzwerk im Ausland. „Ohne Netzwerk ist es sehr schwer. Gerade bei der Teilnahme an europäischen Wettbewerben muss man heutzutage fast immer mit lokalen Büros zusammenarbeiten, gerade, wenn man selbst noch nicht das nötige Portfolio hat“.

Sein für ihn bisher interessantestes Projekt als Architekt war eine Entwicklung eines Hochhauskomplexes in Rotterdam. „Das war 2007/2008 als Projektleiter bei dem bekannten Architekturbüro Claus en Kaan Architecten in Rotterdam (heute KAAN Architecten). Es war ein gigantisches Projekt mit 4 Türmen, der höchste Turm war 200 m hoch“.

Hochhauskomplex Schiekadeblock, Rotterdam (© Claus en Kaan Rotterdam)
Hochhauskomplex Schiekadeblock, Rotterdam (© Claus en Kaan Rotterdam)

Vielseitigkeit
Die Architektur füllt Michael aus. Er erzählt nachdenklich aber auch von Krisen, „bedingt durch die kreative Last, die man als Architekt mitträgt“, verrät er. Michael spricht übrigens neben deutsch, englisch, italienisch, französisch und niederländisch – und weststeirisch, wie er schmunzelnd ergänzt.

Parallel zur Architektur arbeitet Michael seit vielen Jahren im Bereich Journalismus und schreibt seit 2006 für das österreichische Architektur & BauFORUM, die Deutsche BauZeitschrift (DBZ), das schweizer Viso und als Korrespondent für die französische Internett Plattform: „Le Courrier de l’Architecte“. „Es hat für mich gut zusammengepasst und stellte auch eine Möglichkeit dar, mein Netzwerk weiter auszubauen“, verrät mir Michael. „Journalismus gibt mir auch die Möglichkeit des ständigen Weiterlernens, er ist für mich eine Diskussionsplattform und eine Art von Forschungsarbeit“. Er schreibt Bauberichte, städtebauliche Artikel und Interviews mit Architekten, wie mit dem holländischen Architekten Ben van Berkel oder dem österreichischen Architekten Dietmar Feichtinger.

Studienreise: Orbis Medisch Centrum, Sittard (© CHU Nantes)
Studienreise: Orbis Medisch Centrum, Sittard (© CHU Nantes)

Sein Büro Atelier Koller baut sich auf vier Standbeine auf: die Architektur, den Journalismus, die Studienreisen und den Unterricht. Nachdem er bereits zwischen 1998 und 2005 an verschiedenen Instituten der Université de Provence in Marseille unterrichtet hatte, begann er 2014 auch wieder mit dem Unterricht an der Technischen Universität in Delft.

„Was mir noch fehlt und was ich anstrebe ist die Unterrichtskomponente. Das sollen meine vier Standbeine werden: die Architektur, der Journalismus, die Studienreisen und der Unterricht“.

Aktuelle Projekte und Zukunft
Aktuell arbeitet er u.a. am Projekt: „Lifting the Curtain – Central European Architectural Networks“. Dabei sollen zentraleuropäische Architekturnetzwerke in Österreich, Polen, Ungarn, der Republik Tschechien und Kroatien wieder aktiviert werden, was einer guten Netzwerkarbeit über die Grenzen hinaus bedarf. Erste Untersuchungsergebnisse der Geschichte dieser Jahrzehnte alten Netzwerke und ihrer Protagonisten wurden bereits mit Erfolg auf der Biennale in Venedig 2014 präsentiert. „Jetzt geht es darum, die Finanzierung des fortlaufenden Forschungsprojekts, das für drei Jahre beanraumt ist, sicher zu stellen. Es ist eine wirklich spannende Geschichte“, lächelt Michael für die der Informationsaustausch das Wichtigste ist.

Biennale Venedig - Lifting The Curtain © Michael Koller
Biennale Venedig – Lifting The Curtain © Michael Koller

Darauf angesprochen, was er gerne einmal bauen würde, meint er: „Ich hab keine Vorstellung darüber, ob das ein Museum, ein Wolkenkratzer, eine Brücke oder eine Kirche sein soll. Es sollte aber gefühlsmäßig etwas Langfristiges und Dauerhaftes sein. Oh ja, etwas zu schaffen, das länger dasteht“, meint er etwas nachdenklich. „Während meiner Tätigkeiten bin ich auf viele interessante Bauten gestoßen wie z.B. das Reichsmuseum in Amsterdam. Hier machten spanische Architekten eine so dezente und zeitlose Architektur, dass du gar nicht auf die Architektur siehst, sondern eine unglaubliche Atmosphäre spürst – die wahrscheinlich in 100 Jahren immer noch funktioniert.“

Biennale Venedig 2014: Konferenzzyklus Unfinished (© architectuul)
Biennale Venedig 2014: Konferenzzyklus Unfinished (© architectuul)

„Bleibt Holland Deine Zukunft?“ „Ich weiß es nicht, das kann ich momentan nicht einschätzen“, antwortet mir Michael etwas nachdenklich. Eine Heimkehr nach Österreich kann er sich unter bestimmten Voraussetzungen vorstellen. „Dietmar Feichtinger ist ein gutes Beispiel, der über Frankreich nach Österreich zurückkam“.

Mediathek Lycée Van Gogh, Den Haag (© HD Maatwerk Interieur)
Mediathek Lycée Van Gogh, Den Haag (© HD Maatwerk Interieur)

Familie und Freizeit
„Was ist für Dich ein perfekter Sonntag?“ „Weiß ich nicht mehr“, meint er lachend. „Hm, ein schöner Sonntag ist, wenn du an nichts denkst, nicht an Montag und nicht an die Arbeit, die dich erwartet. Allerdings spät aufstehen ist bei Kindern illusorisch“.

An seiner Frau schätzt er am meisten ihre Toleranz ihm gegenüber: „Ihre Toleranz und gleichzeitig ihre Unnachgiebigkeit, das bringt mich manches Mal zur Weißglut“. Seiner Meinung nach ähnelt eine Beziehung der Architektur. „Ein Haus auf die grüne Wiese zu bauen ist einerseits einfach und gleichzeitig schwierig, weil du noch keine Anhaltspunkte hast. Es ist spannend und schwierig, eine Lösung zu finden mit Randbedingungen, die sich eigentlich nicht vereinen lassen. Das ist eine Herausforderung wie auf der Beziehungsebene“. Bei Michael darf man sich also nie zurücklehnen, man muss ihn immer in Spannung halten.Michael Koller (4)

Seine Frau unterrichtet heute an der französischen Schule in Den Haag. Sie hat auch eine Zeitlang im steirischen Voitsberg unterrichtet. „eine Französin mit weststeirischem Dialekt“, er lacht wieder. „Sie ist das Sprachentalent bei uns, spricht französisch, italienisch, englisch, holländisch, spanisch und deutsch.

Feriendorf Eco Resort Salt Cay (© 24H-architecture)
Feriendorf Eco Resort Salt Cay (© 24H-architecture)

Seine Hobbys wie die Fotografie und Singen hat Michael nach eigenen Angaben zeitbedingt sehr zurückgeschraubt. Nach dem Schulchor, sang er im chor pro musica graz und auch in Marseille beim Choeur Contemporain, einem Chor für zeitgenössische Musik. „Ich hätte das gerne professioneller betrieben, aber wenn nicht Dein ganzes Leben Architektur ist, bist du kein guter Architekt“, ist er überzeugt.

Viel Spaß macht ihm auch die Organisation und die Leitung der Fachexkursionen. Eine davon führte ihn heuer als Reiseleiter für das Ziviltechniker-Forum in Graz schon zum zweiten Mal nach Südfrankreich.

Studienreise: MUCEM, Rudy Ricciotti, Marseille (© Michael Koller)
Studienreise: MUCEM, Rudy Ricciotti, Marseille (© Michael Koller)

Er beschreibt sich selbst als positiven Pessimisten. „Unzufriedenheit ist mein Motor. Ich bin begeistert und interessiert, gleichzeitig meine ich, das kann’s ja noch nicht gewesen sein“. Er lacht: „Nicht zufrieden aber glücklich, sagen wir so“.

www.atelierkoller.com

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