Alexander Glehr – Immer wieder in neue Welten eintauchen

„Corsage“ – der Film über den Mythos „Sisi“ feierte heuer bei den glamourösen Filmfestspielen in Cannes und weltweit große Erfolge. (Foto Elsa Okazaki)„Corsage“ – der Film über den Mythos „Sisi“ feierte heuer schon bei den glamourösen Filmfestspielen in Cannes und weltweit große Erfolge. Darüber freuen sich natürlich nicht nur Regisseurin Marie Kreutzer und Hauptdarstellerin Vicky Krieps, sondern auch das Produzenten-Paar Alexander Glehr und Johanna Scherz.

„Corsage“ – der Film über den Mythos „Sisi“ feierte heuer bei den glamourösen Filmfestspielen in Cannes große Erfolge. Produzenten-Paar Alexander Glehr und Johanna Scherz mit Regisseurin Marie Kreutzer. (Foto Elsa Okazaki)
„Corsage“ – der Film über den Mythos „Sisi“ feierte heuer bei den glamourösen Filmfestspielen in Cannes große Erfolge. Produzenten-Paar Alexander Glehr und Johanna Scherz mit Regisseurin Marie Kreutzer. (Foto Elsa Okazaki)

Ich treffe Alexander bei der Premiere von „Corsage“ in Graz. Darin räumen Regisseurin Marie Kreutzer und „Sisi“-Darstellerin Vicky Krieps mit dem Mythos „Sisi“ etwas auf und zeigen eine gealterte Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn mit all ihren Problemen. „Es ist doch toll, wenn ein Film so erfolgreich ist, aber macht das neben großer Freude auch Druck?“ frage ich den erfolgreichen Produzenten. „Das Erfolgsgefühl, das man in diesem Moment erlebt, ist halt gleich wieder weg“, meint er, „wenn der nächste Film nicht so performt. Aber damit müssen wir sowieso leben. Und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Film nicht so aufgeht, ist einfach viel höher und deshalb muss man den Moment genießen und versuchen zu lernen, was daraus zu lernen geht. Aber die goldene Regel, wie es immer funktioniert, habe ich noch nicht gefunden“, lacht Alexander.

Bei der Einreichung von Filmen ist die Hoffnung natürlich immer groß, dass sie ein breites Publikum ansprechen. „Generell versucht man, zuerst in ein großes Festival hineinzukommen, und hofft, dass der Film gut ankommt und damit ein gewisser Festivalkreislauf in Gang kommt. Dann wird man weiterempfohlen und eingeladen, so wie es mit „Corsage“ passiert ist, der in San Sebastian, in New York, Toronto und bei allen großen Festivals gezeigt wird.“
Jetzt geht der Spielfilm sogar für Österreich ins Oscar-Rennen 2023. 

Der von der Film AG produzierte Spielfilm "Corsage" mit Vicky Krieps als Kaiserin Elisabeth geht für Österreich ins Oscar-Rennen 2023. Im Bild Produzent Thomas Glehr und Regisseurin Marie Kreutzer. (Foto Hedi Grager)
Der von der Film AG produzierte Spielfilm „Corsage“ mit Vicky Krieps als Kaiserin Elisabeth geht für Österreich ins Oscar-Rennen 2023. Im Bild Produzent Thomas Glehr und Regisseurin Marie Kreutzer. (Foto Hedi Grager)

Finanzierungsmodell und Filmförderungen
Ich komme auch auf das neue Finanzierungsmodell der Bundesregierung für die Filmwirtschaft zu sprechen, das gerade an diesem Tag auf den Weg gebracht wurde. Damit wurde eine langjährige Forderung nach einem spürbaren Incentive für die Filmherstellung in Österreich erfüllt. Bei diesem neuen Fördermodell werden bis zu 35 Prozent der in Österreich investierten Mittel refundiert – für internationale Filmproduktionen ebenso wie im Streamingsektor oder bei heimischen Vorhaben. „Das ist die tatsächlich schon seit Jahren geforderte und erhoffte Antwort auf diesen Paradigmenwechsel, den wir im Verwertungs- und Produktionsbereich, in der gesamten Filmwirtschaft erleben“, so Alexander. „Die Streamer sind in den letzten Jahren massiv in den Markt eingedrungen und die Bedeutung des Kinos hat zwischen den einzelnen Verwertungskanälen auch pandemiebedingt tendentiell nachgelassen. Dadurch war es notwendig, dass man die bisherige Filmfinanzierung nach Überlegung aus den 1980ern reformiert oder erweitert. Und das ist passiert – und das ist wirklich ein historischer Tag.“

Der Produzent sieht dies als Riesenchance und Erleichterung für die gesamte Filmwirtschaft. „Wir können dadurch professionalisierter arbeiten und bessere Arbeitsbedingungen schaffen, und durch das Mehr an Produkten auch die kulturelle Identität stärken. Das Modell gibt es, weil neben der Filmwirtschaft per se auch der Staat profitiert, da die Umwegsrentabilität beim Film riesig ist.“

Zu Kulturförderung meint der Produzent, dass diese in Österreich schon sehr gut aufgestellt ist. „Die Kultur ist in Österreich wahnsinnig wichtig, und es ist nur immer zu wenig“, schmunzelt Alexander. „Wo viel gemacht wird, wird immer mehr gemacht und das ist auch toll. Was der Filmwelt fehlte, war eine ausgabenbasierte Förderung, die primär auf den wirtschaftlichen Effekt abziehlt und damit die kulturellen Förderungen entlastet. Das hatte Österreich nur sehr begrenzt und deshalb gab es keine Verlässlichkeit für Förderungen.

Alexander Glehr (2.v.li) bei der erfolgreichen Premiere seines Films "Corsage" im Gartenbau Kino in Wien. (Foto Hedi Grager)
Alexander Glehr (2.v.li) bei der erfolgreichen Premiere seines Films „Corsage“ im Gartenbau Kino in Wien. (Foto Hedi Grager)

„Ein Film muss etwas bieten, was die Menschen überzeugt, und ist immer in Auseinandersetzung mit dem Publikum. Egal ob es ein kleines oder großes ist, man muss sich ihm stellen und muss es überzeugen können, und dadurch wird und muss es auch immer einen gewissen Auswahlprozess geben.“

Auf alle Fälle ist großes Potential da, das ist unbestritten. „Egal, wo man hinkommt, weltweit ist Österreich dafür bekannt, ein extrem hohes kreatives Potential an Mitarbeitern, an Kreativen, Filmschaffenden zu haben. Es gibt wenig Länder, die so eine Dichte an herausragenden Menschen aufweisen kann“, ist sich Alexander sicher.

#metoo
Natürlich ist auch Alexander mit der Debatte rund um #metoo konfrontiert. „Ich hatte bis jetzt noch keinen Fall in meinem Umfeld, der vor den Gerichten gelandet ist, aber ich bin immer achtsam. Es gibt eine Sensibilisierung bei allen MitarbeiterInnen, und es wird von uns von Anfang an klargelegt, dass es null Toleranz gegenüber übergriffigem Verhalten in jeglicher Form gibt. Da auf einem Filmset verschiedene Lebenswelten aufeinander treffen, können natürlich Konflikte entstehen. Damit muss ich umgehen und das ist oft gar nicht so leicht, da es arbeitsrechtliche Komponenten gibt, die nicht immer die richtige Antwort auf die Graubereiche geben, in denen Übergriffe oft stattfinden.“ Was er an der Debatte wichtig findet, ist, „dass man einfach diese Sensibilisierung, diese Wachsamkeit hat und dass man nichts bagatellisiert. Wünschenswert wäre es aber auch, dass nicht durch Pauschalisierungen eine ganze Branche in Verruf kommt. Umgekehrt können wir nicht so tun, als würde uns als Filmwirtschaft die Thematik nicht in besonderer Weise betreffen. Wir, als eine Branche mit viel Außenwirkung und viel Strahlkraft, haben eine Verantwortung, diese Sensibilisierung immer wieder zu schaffen.“

Produzenten Duo Alexander Glehr und Johanna Scherz. „Natürlich überlegen wir auch intensiv, wie wir uns im Streamingbereich positionieren und welche Projekte wir da anbieten können.“ (Foto Akos Burg)
Produzenten Duo Alexander Glehr und Johanna Scherz. „Natürlich überlegen wir auch intensiv, wie wir uns im Streamingbereich positionieren und welche Projekte wir da anbieten können.“ (Foto Akos Burg)

Schon lange gibt es daher projektbezogen auch Intimacy-Coaches. „Für mich ist es auch immer eine kreative Zusammenarbeit, und man muss mit den Beteiligten sensible Szenen abklären. Jeder muss sich sagen trauen können, ob und wie Szenen umgesetzt werden sollen, in denen körperliche Nähe oder Intimität inszeniert wird.“ Der Produzent achtet darauf, dass bei unterschiedlich geschlechtlichen Castings oder Proben immer neutrale Personen im Raum sind. „Ich kann die Frage nicht beantworten, wie sehr das alles Einfluss auf den künstlerischen Prozess hat. Es ist klar, Kunst kann nicht alles rechtfertigen. Aber die Freiheit der Kunst darf auch nicht verloren gehen. Es ist also immer wieder eine Gratwanderung.“

Mit einem leichten Lächeln meint er noch, dass er seine „Macht“ als Produzent eher begrenzt sieht. „Aber allein aufgrund der Tatsache, dass ich der Arbeitgeber bin, bin ich in der Verantwortung, für ein respektvolles Arbeitsumfeld auf Augenhöhe zu sorgen.“

Zu den großen Veränderungen der letzten Jahre gehört natürlich, dass aufgrund der noch immer gleichen Budgets und der inflationsbedingt steigenden Kosten die finanziellen Spielräume enger werden. „Irgendwo muss man das ja „einsparen“ und die Zeit ist das teuerste Gut beim Film, da wirkt sich eine Einsparung am massivsten aus. Etwas, was für einen künstlerischen Prozess nichts Gutes verheißt. Als Verband sind wir stetig darum bemüht, dagegen zu wirken, und hoffentlich bringt dieses neue Modell Möglichkeiten, auch da eine gewisse Flexibilität reinzubringen.“

Das stolze "Team Corsage" bei der Präsentation des Films in Cannes. (Foto Elsa Okazaki)
Das stolze „Team Corsage“ bei der Präsentation des Films in Cannes. (Foto Elsa Okazaki)

 „Wir sind durch Digitalisierung und Streaming in einem anderen Markt als noch vor 10 Jahren. Seither haben sich die Dinge wirklich auf den Kopf gestellt und man muss sich immer neu ordnen. Dabei gibt es die, die visionär voranschreiten, und die, die sich nach dem alten System zurücksehnen und hoffen, dass es nur ein Sturm ist, der bald wieder vorbei geht. Daran glaube ich nicht. Aber man muss sehen, dass diese neuen Möglichkeiten, die einem in die Hand gelegt werden, auch zu etwas Gutem führen. Auch daran arbeiten wir als Produzentenverband.“

Auf meine Frage, wie es ihm mit seiner Zeit gehe, vor allem seit dem großen Erfolg mit „Corsage“ lächelt er nur. Auf das Thema Familie angesprochen, meint er ebenfalls lächelnd: „Dadurch, dass Johanna, meine Partnerin in der Firma, auch im privaten mein Korrektiv ist und ich ihres, besinnen wir uns immer wieder. Aber während einer Woche, in der eine Premiere der anderen folgt, ist unser Sohn etwas unglücklich.“ Mit einem Schmunzeln verrät er, dass sein Sohn bei der Premiere in Hartberg sich beschwerte und meinte, er möchte heute mit dem Papa schlafen gehen. Und so habe ich nach dem Film mit ihm nach Hause müssen.“ Er verrät noch, dass er meist für das Schlafengehen seines fünfeinhalbjährigen Sohnes zuständig ist. „Er findet, dass es bei mir besser ist zu schlafen, weil ich so hoch bin im Liegen – das ist seine schöne Umschreibung für dick“, lacht Alexander. „Hinter mir kann er sich auf jeden Fall besser verstecken, deshalb schläft er lieber mit mir.“ Er lacht wieder und fügt noch stolz hinzu: „Er ist ein extrem wacher Bub und wir haben eine große Freude mit ihm.“

Im beruflichen wie auch im privaten Leben ein Dream-Team: Alexander Glehr und Johanna Scherz. (Foto Akos Burg)
Im beruflichen wie auch im privaten Leben ein Dream-Team: Alexander Glehr und Johanna Scherz. (Foto Akos Burg)

Neue Projekte
Auf meine Frage, welche Projekte bei ihnen in der Pipeline liegen, meint er: „Es sind viele Projekte in Entwicklung und in unterschiedlichen Stadien. Das Konkreteste ist der nächste Film, den wir jetzt mit der Regisseurin Ulrike Kofler drehen. Nach „Was wir wollten“ ist es jetzt der zweite Film mit ihr, aktuell noch mit dem Arbeitstitel „Full house“, der aber nicht der endgültige sein wird.“ In dieser Geschichte werden mit einem etwas anderen Blick Familienverhältnisse beleuchtet. Des weiteren entsteht eine Koproduktion mit Abu Bakr Shawky, einem Österreich-Ägypter. Er erzählt die Geschichte seiner Eltern – sie Österreicherin und er Ägypter – als sie Ende der 60er Jahre zusammengekommen sind. „Ich würde sagen, es wird eine historische Komödie. Und noch weitere Filme verschiedener Genres sind in Entwicklung, wie eine Komödie oder ein Horror-Zombiefilm. Und natürlich schauen wir, dass wir wieder mit Marie Kreutzer etwas an den Start bringen werden“, schmunzelt Alexander. „Natürlich überlegen wir auch intensiv, wie wir uns im Streamingbereich positionieren und welche Projekte wir da anbieten können.“

Das Produzenten-Duo Alexander Glehr und Johanna Scherz bei der Präsentation ihres Films "Corsage" in Cannes. (Foto Elsa Okazaki)
Das Produzenten-Duo Alexander Glehr und Johanna Scherz bei der Präsentation ihres Films „Corsage“ in Cannes. (Foto Elsa Okazaki)

„Was mir an diesem Beruf soviel Freude macht ist, dass wir mit jedem neuen Projekt in immer neue Welten eintauchen können. Deshalb will ich gar nicht auf ein Thema oder ein Genre festgelegt sein, sondern suche immer das neue Abenteuer, in dem ich eine neue Welt kennenlerne, die ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht gekannt habe“, kommt es mit Begeisterung von Alexander. 

Großes Beitragsfoto: Die Film AG sind das Produzenten-Paar Alexander Glehr und Johanna Scherz. (Foto Akos Burg)

www.film-ag.at     

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