Harald Schrott: Leidenschaft für Schauspiel und Filmgeschichte

Harald Schrott. (Foto Joachim Gern)Der in Tirol geborene Schauspieler Harald Schrott ist regelmäßig in verschiedensten Rollen in Fernseh- und Kinofilmen zu sehen. Aber auch die Theaterbühne hat immer wieder ihren Reiz für ihn. Für den in Mutters bei Innsbruck geborenen und seit mehr als 30 Jahren in Berlin lebenden Schauspieler ging es schon mit 16 Jahren in die Schauspielschule. Nach einem ersten Engagement am Tiroler Landestheater zog es ihn nach Deutschland. Es folgten Theaterjahre u.a. in Mainz und Ulm bis er 1995 ein Engagement am Maxim-Gorki-Theater in Berlin erhielt, wo er heute noch lebt. 

„Am Ende wird alles sichtbar“ ist eine schauspielerische Herausforderung bestätigt Harald Schrott. „Aber er hat eine große Musikalität, eine Poesie, so eine feine Melancholie, die einen hineinzieht. (Foto Joachim Gern)
„Am Ende wird alles sichtbar“ ist eine schauspielerische Herausforderung bestätigt Harald Schrott. „Aber er hat eine große Musikalität, eine Poesie, so eine feine Melancholie, die einen hineinzieht. (Foto Joachim Gern)

Ich durfte den großartigen Schauspieler anlässlich der Kinopremiere von „Am Ende wird alles sichtbar“ im Grazer Schubertkino kennenlernen. Er war begeistert von der angenehmen, familiären Atmosphäre bei der Premiere. „Ich fand, dass hier wirklich der Film und nicht das Event im Mittelpunkt stand und ich habe mich sehr wohl gefühlt.“ Der Film ist eine schauspielerische Herausforderung bestätigt Harald in unserem Interview. „Aber er hat eine große Musikalität, eine Poesie, so eine feine Melancholie, die einen hineinzieht. Er zeigt das Aufflammen einer Liebesgeschichte vor dem Hintergrund dieses schrecklichen Krieges, diese furchtbaren, zynischen Machtmenschen, die da am Hebel sitzen. Der Film zeigt aber auch eine starke Frau, die allem standhält, eine stolze und unabhängig gebliebene Frau.“ In seiner Begeisterung kommt sein Tiroler Dialekt etwas stärker durch, den er sich auch nach 30 Jahren Berlin erhalten hat.

Ein Mann für alle Rollen
Der Schauspieler ist in sämtlichen Genres zu Hause und auch erfolgreich. „Ja, ich habe wirklich querbeet schon alles gespielt, vom schlimmsten Verbrecher bis zum liebsten und harmlosesten Menschen, vom Pfarrer und  Arzt bis zum Mafiaboss. Man ist der Mensch, der man ist, und hat eine gewisse Ausstrahlung. Ich freue mich aber, dass es Filmemacher und Besetzer gibt, die zu mir verschiedene Ideen und Phantasien haben. Das versuche ich auch zu fördern und mich so in keine Schublade stecken zu lassen.“ Er erzählt begeistert weiter: „Seit meiner ersten Filmrolle als Terrorist in „Die Stille nach dem Schuss“ stehe ich jetzt seit 24 Jahren vor der Kamera. Damals trug ich einen ähnlichen Bart wie heute“, lacht Harald, der ihn jetzt für einige Rollen am Theater und in Produktionen wachsen ließ. „Ich mag es, mein Äußeres den Figuren anzupassen, sei es mit Haaren, Bärten, Klamotten, Gewicht.“ Für „Am Ende wird alles sichtbar“ hat der Schauspieler 10 kg abgenommen. „Als Fotograf in der Kriegszeit war man nicht so wohlgenährt, lebte nicht in Saus und Braus“, meint Harald, der für seine Rolle sehr viel recherchiert hatte. „Ich wollte der Figur und ihrer Verletzlichkeit gerecht werden.“ 

Seit seinem Kinodebüt in Volker Schlöndorffs mehrfach ausgezeichneten Film "Die Stille nach dem Schuss" im Jahr 2000 war Harald Schrott regelmäßig in Fernseh- und Kinofilmen aber immer wieder auch auf Theaterbühnen zu sehen. Im Bild mit Journalistin Hedi Grager, www.hedigrager.com. (Foto privat)
Seit seinem Kinodebüt in Volker Schlöndorffs mehrfach ausgezeichneten Film „Die Stille nach dem Schuss“ im Jahr 2000 war Harald Schrott regelmäßig in Fernseh- und Kinofilmen aber immer wieder auch auf Theaterbühnen zu sehen. Im Bild mit Journalistin Hedi Grager, www.hedigrager.com. (Foto privat)

Als ich Harald auf den Ausspruch anspreche „Ich war jung und brauchte das Geld“ und ob das auch auf einen seiner Filme zutreffen würde, lächelt er: „Ich habe bisher an die 150 Filme gedreht und es gibt bis jetzt keinen Film in meinem Leben, von dem ich sagen würde, ihn nur wegen des Geldes gemacht zu haben. Vor allem in den ersten Jahren habe ich auch viel abgesagt. Man findet zwar immer einen Grund, warum man ein Projekt, eine Rolle interessant wäre. Aber wenn ich beim Lesen des Buches oder im Gespräch mit einem Regisseur merke, dass in mir nichts hängen bleibt, keine Fantasie bei mir entzündet wird, dann mache ich es auch nicht.“

Inspirationen
Schauspieler wie Mickey Rourke und Sean Penn haben ihn schon früh inspiriert. „Ich bin ja in den 1980er Jahren in Mutters bei Innsbruck aufgewachsen, habe viel Zeit im Kino verbracht und mir alle ihre Filme angesehen“, schmunzelt Harald. „Beide waren in dieser Zeit prägend für mich“. Ins Kino geht der Schauspieler nach wie vor sehr gerne. „Am Anfang meiner Theaterzeit in Mainz ging ich manchmal sogar in drei Kinovorstellungen täglich. Dabei wurde auch Filmgeschichte eine Leidenschaft von mir.“

Auf ‚Vorbilder‘ und ‚Inspirationen‘ angesprochen, fällt ihm spontan die deutsche Schauspielerin Sandra Hüller ein. „Ich halte sie für ein Geschenk und ein Genie, seit ich sie in ihrem ersten Film „Requiem“ von Hans-Christian Schmid gesehen habe. Damals war ich auch beim Casting für diesen Film, habe die Rolle aber leider nicht bekommen“, verrät er sehr ehrlich. „Sie gehört zu den Schauspielerinnen, die etwas haben, das sich nicht erklären lässt.“ Beim Theater inspirierte  ihn vor allem Schauspieler Gert Voss. „Ich bin oft nach Wien gefahren, nur um ihn auf der Bühne zu sehen.“ 

Harald Schrott. (Foto Jeanne Degraa / Photoselection)

Bereut, den Weg als Schauspieler ergriffen zu haben, hat Harald nie. „Ich habe anfangs parallel zum Schauspiel drei Semester Medizin in Innsbruck studiert und wäre sehr gerne Kinderarzt geworden. Aber als man mir mit 19 Jahren nach zwei Kontrollprüfungen auf der Schauspielschule in Wien die Reifeprüfung „schenkte“, war ich von hier auf gleich ein fertiger Schauspieler – zumindest am Papier. Die Kommission sagte mir, dass ich gleich auf die Bühne muss. Das war 1987“, erinnert er sich. „So ließ ich das Medizinstudium sein und spielte Theater in Innsbruck, später in Mainz und Ulm. Ich liebe den Beruf wirklich nach wie vor total. Natürlich ist er ein Beruf mit Höhen, Tiefen und Durststrecken, aber ich habe noch immer so eine Leidenschaft fürs Spielen. Ich habe dabei so wunderbare Menschen getroffen, bekam so tolle Projekte und durfte so viele Figuren spielen, die herausfordernd und besonders waren. Ich habe das Gefühl, es ist wie ein Marathon, und ich bin immer noch froh, dabei zu sein und diesen Weg eingeschlagen zu haben.“

Familienleben
Ein geregelter 9 to 5-Job wäre für den leidenschaftlichen Schauspieler undenkbar. „Ich bin natürlich viel weg, erlebe intensive Zeiten, in denen ich mich für zwei Monate völlig in einem Projekt verliere. Aber es gibt dann auch wieder längere Phasen, in denen ich zu Hause bin und für meine Familie rund um die Uhr da sein kann.“ Harald hat eine 26-jährige Tochter aus einer ersten Beziehung, und mit seiner Frau, der Schauspielerin Regine Zimmermann, hat er zwei Söhne im Alter von 12 und 17 Jahren. Er gibt aber zu, dass es für zwei Schauspieler nicht immer leicht ist, alles zu organisieren. Seinen Kindern möchte er vor allem Liebe mitgeben. „Meine Frau sagt immer, man kann sie nie genug lieben und wir haben sie damit zugeschüttet, um sie zu stärken, sie als selbstbewusste freie Menschen zu erziehen. Das habe ich auch bei meiner Mutter so erlebt“, erinnert sich Harald. „Junge Menschen sind heute so selbstbewusst und frei in der Fähigkeit, Dinge zu hinterfragen und ihre Meinung zu äußern. Es ist toll, sie zu begleiten. Ich versuche, die richtige Mischung aus Fürsorge und Nachlässigkeit zu finden. Sie müssen ihre eigenen Wege gehen und ihre eigenen Fehler machen dürfen. Und da muss man in einer Stadt wie Berlin oft stark sein und hoffen, dass sie heil nach Hause kommen“, kommt es ein wenig nachdenklich von Harald. 

Liebe zu Tirol und Berlin
Das Gefühl, raus aus Österreich zu müssen, hatte er schon früh. „Ich liebe Tirol und habe eine sehr enge Bindung zu meiner Familie. Aber ich hatte auch das Gefühl, dass ich weg muss, um mich von meiner Familie und von meiner Umgebung zu emanzipieren. Die Berge sind imposant und beeindruckend und von oben hat man einen weiten Blick, aber unten ist es schon auch gefühlt sehr eng.“ Es kamen Angebote nach Linz und Bern zu gehen. „Aber ich wusste, ich muss weiter weg, und so wurde es Mainz, Ulm und später Berlin.“ Er betont aber, wie sehr er Tirol und Österreich liebt und Drehtage hier immer ein Geschenk für ihn sind. „Ich habe immer gehofft, dass meine Frau mal in Wien engagiert wird, und wir dann als Familie einen Grund hätten, dorthin zu ziehen. Es hat sich aber leider nie ergeben und deshalb sind wir immer noch in Berlin.“ Besuche bei der Familie seiner Schwester und seinen Freunden in Tirol sind aber mehrmals im Jahr ein Muss. „Ich fühle immer noch eine große Verbundenheit und mittlerweile könnte ich mir sogar wieder vorstellen, hier zu leben.“ 

Harald Schrott bezeichnet sich als sensiblen und empfindsamen Menschen. „Ich bin begeisterungsfähig, ein wirklicher Menschenfreund und liebe es, Menschen zu begegnen." (Foto Joachim Gern)
Harald Schrott bezeichnet sich als sensiblen und empfindsamen Menschen. „Ich bin begeisterungsfähig, ein wirklicher Menschenfreund und liebe es, Menschen zu begegnen.“ (Foto Joachim Gern)

KI als Chance
Auf das Thema KI angesprochen meint der Schauspieler: „KI ist natürlich faszinierend und ermöglicht in vielen Bereichen, zum Beispiel in der Medizin, unglaubliche Fortschritte. Einige Berufe werden zwar verschwinden, aber wie bei den meisten Erneuerungen in der Geschichte, ich denke da an Industrialisierung und Digitalisierung, SIND auch immer wieder neue Berufe entstanden. Es erfordert von den Menschen natürlich eine hohe Flexibilität und Bereitschaft, ausgetretene Pfade zu verlassen und neue zu gehen. Es ist für die ganze Menschheit eine große Herausforderung, aber eben auch eine große Chance.“ In künstlerischen Berufen sieht er KI aber durchaus kritisch. „Niemand kann in die Zukunft schauen, aber ich glaube nicht, dass KI in der Lage ist, von sich heraus aus kreativ zu sein. KI kann z.B. sicher ein Buch im Stil der gespeicherten Bücher von Jonathan Franzen schreiben. Aber ich glaube nicht, dass sie seine Wortfindungen schafft, die bei ihm in einer Eingebung, in einer Vision entstehen. KI kann nur etwas reproduzieren, was Künstler geschaffen haben, insofern hoffe ich, dass man es in künstlerischen Berufen hinkriegt, Grenzen zu ziehen und Künstler zu schützen. Ich verstehe aber die Besorgnis in Branchen wie z.B. der Synchronisation.“ Für den Schauspieler kann Kunst nur aus dem stofflichen, aus dem menschlichen, aus der Unzulänglichkeit des Daseins entstehen, und er ergänzt: „Ich glaube nicht, dass KI das hinkriegt, was Schauspieler oder Musiker zu kreieren in der Lage sind.“

Über Sport, Genuss und Begegnungen 
Seit mehr als 20 Jahren läuft der Schauspieler regelmäßig, schwimmt und fährt viel Rad. 2006 lief er sogar den Marathon in Berlin. „Das war die Zeit, als meine Frau mit unserem ersten Sohn hochschwanger war. Da hatte ich das Gefühl, dass ich etwas ähnlich Großes und Anstrengendes schaffen muss“, lacht Harald. „Angeregt von einem Freund habe ich mich grad mal sieben Wochen davor dazu entschlossen und bin den Marathon sogar in 4 Stunden und einer Minute gelaufen“, erzählt er mir stolz. 2007 lief er dann noch einen Halbmarathon. „Ich habe bei meinen Drehs immer meine Laufsachen dabei und kann dabei wunderbar abschalten. Wenn ich mich körperlich nicht betätige, fühle ich mich nicht wohl.“

Selbst würde er sich als sensiblen und empfindsamen Menschen beschreiben. „Ich bin begeisterungsfähig, ein wirklicher Menschenfreund und liebe es, Menschen zu begegnen, kann aber auch gut allein sein. Das wahre Leben findet für mich aber oft in der Begegnung mit Menschen statt.“ 

Der sympathische Schauspieler ist auch ein humorvoller Mensch, der über sich selbst lachen kann. Als Genussmensch liebt er es zu essen und ein gutes Glas Wein. Etwas nachdenklich meint er weiter: „Ich bin aber auch ein sehr kritischer und manchmal zurückhaltender Mensch. Ich bin jetzt keiner, der zur Tür reinkommt, und hier bin ich schreit“, lächelt Harald. „Das bin ich sicher nicht.“ Er hält sich selbst für einen sehr strukturierten und gut organisierten Mensch. „Vielleicht deswegen, weil mein Vater Finanzbeamter war“, lacht der sympathische Schauspieler wieder. 

Wichtig ist ihm, stets wach zu bleiben, sich zu hinterfragen. „Mit Kindern ist man dazu sowieso aufgefordert, weil sie einen immer wieder in Frage stellen“, schmunzelt er. „Man hält sich oft für modern und aufgeschlossener, als es einem die junge Generation dann reflektiert. Das ist manchmal schmerzhaft aber auch ganz gut, um selbst offen zu bleiben. Ich versuche daher, mich weiter zu hinterfragen und weiter zu entwickeln.“

Frauenfreund
Der großartige und vielfältige Schauspieler gilt auch als Frauenfreund. „Total, ich liebe Frauen und habe großen Respekt vor ihnen“, lächelt Harald. „Ich bin mit einer starken Frau wie meiner Mutter aufgewachsen, meine Schwester ist eine und auch meine Frau ist eine sehr starke, stolze und großartige Person, wir kennen uns seit 25 Jahre. Ich habe in meinem Leben so viele tolle und faszinierende Frauen getroffen und genieße es, von ihnen umgeben zu sein.“ 

Die letzten Monate stand Harald wieder auf der Bühne. „Es hat mir großen Spaß gemacht, wieder vor Publikum zu spielen. Nebenher mache ich sehr gerne Sprechertätigkeiten und es sind auch wieder einige tolle Projekte in der Pipeline. Aber was spruchreif wird, wird man zu gegebener Zeit sehen“, meint er abschließend noch augenzwinkernd.

Großes Beitragsfoto: Harald Schritt in „Am Ende wird alles sichtbar“. (Foto Einhorn Film)

Zu seinem Film „Am Ende wird alles sichtbar“ meint Harald Schrott: „Josef begibt sich auf eine Reise zurück, er möchte seine Jugendliebe wiedersehen, herausfinden, was war und was hätte sein können… Unbewusst sehnt er sich nach Erlösung, sucht eine Antwort auf die Frage nach seiner Identität. Auch für mich war die Arbeit an dieser Rolle eine Reise, die mich in meine Kindheit und mein Heimatland geführt hat.

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