Edita Malovcic: „Ich will mich immer weiter entwickeln – als Mensch, Musikerin und Schauspielerin“.
Edita kommt ins Kaffeehaus, schwarz gekleidet, sehr schlank, fast zierlich und sehr attraktiv.
Mit einem Lächeln entschuldigt sie sich wegen ihrer leichten Verspätung, „aber ich musste wirklich überlegen, wo mein Auto steht, da ich es vor mehr als einer Woche abgestellt hatte“. Ich muss schmunzeln, denn wem ist so etwas noch nie passiert.

Sie bestellt sich einen Kaffee und erzählt mir dann, dass sie erst am Vortag in einem Lokal voller Gäste drehen musste. „Wenn mir jemand im Weg stand, musste ich ihn ‚beiseite räumen‘. Ich mag es ja, so realistisch zu spielen, mag das Authentische, aber schon wegen der Lautstärke war es schwierig, mich zu konzentrieren“. Ich werfe ein, dass es sicher nicht leicht ist, sich auf die Rolle zu konzentrieren und dabei offen zu bleiben für alles, was rund um einen passiert. „Es ist eine schwierige Balance, aber wenn du es schaffst, diese Balance zu erreichen, dann bist Du eigentlich da, wo du meiner Meinung nach als Schauspieler hin musst. Diese Balance zwischen Kontrolle und Loslassen, wenn Du weder an das eine noch an das andere denkst – diese Augenblicke sind selten“, kommt ihr raues Lachen. „Man könnte es den optimalsten Meditationszustand nennen“.

Ich spreche sie darauf an, dass ich kürzlich von einem Schauspieler hörte, der es falsch findet, aus seiner eigenen Erfahrung zu spielen, da er dann immer sich selbst spiele. Edita bejaht. „Auch mein Anspruch ist von mir wegzugehen. Viele sagen, ich kann nichts spielen was ich nicht in mir habe. Aber ich habe beispielsweise schon oft einen Mörder gespielt, ohne einen in mir zu haben. Natürlich kann man viel aus seiner eigenen Erfahrung rausholen, aber im Endeffekt stellt man sich die Frage, was verbinde ich mit dieser Figur, die ich verkörpern soll und was ist so ganz anders“. Sprichst Du mit Freunden oder Deinem Partner über Rollen? „Ja, ich schon. Mir hat ein bekannter Coach einmal gesagt ‚Leute, ihr seid ja an der Quelle, ihr seid Kollegen, seid vom Fach. Bildet Gruppen und redet über die Rollen, spielt sie gegenseitig vor‘. Das versuche ich. Natürlich kann man das nicht mit allen Kollegen machen. Aber ich gebe gerne alles weiter, was ich für mich herausgefunden habe“.

Rasch spüre ich, welch feinfühliger Mensch hinter der gefragten Schauspielerin und Musikerin steckt. Ich fühle, wie sie sich im Gespräch entspannt und freue mich sehr darüber. Edita ist es wichtig, sich im Spiel, aber auch als Mensch immer weiter zu entwickeln. Im Spiel ist sie ein Anhänger von ‚method acting‘, mag es so authentisch oder realistisch wie möglich. „Wenn bei mir z.B. jemand eine Ohrfeige nur ‚anfaken‘ möchte, sage ich ihm, er soll bitte durchziehen. Das ist für mich wichtig und hilft mir, nahe dranzubleiben an dem, was wirklich passiert“.
Ich erzähle ihr, dass ich sie als Einstieg fragen wollte, welche Frage sie schon nicht mehr hören kann. Edita lacht herzlich und meint: „Wie ist Till Schwaiger. Ganz ehrlich, das ist eine Frage, die wird mir auch privat immer wieder gestellt. Ich weiß nicht, was sich alle erwarten. Die Frage finde ich mittlerweile langweilig, aber ich beantworte sie Dir gerne. Er ist ein cooler Mensch, der weiß was er will und sein Handwerk sehr gut macht“.

Schauspielerischer Durchbruch mit Nordrand
1999 wurde Edita von Barbara Albert für ihren Film Nordrand engagiert, wo sie neben Nina Proll die Hauptrolle spielte. „Es war ein Durchbruch in einem Job, den ich gar nicht wollte, denn für mich ist Musik so wahnsinnig wichtig. Aber als mich ein Bekannter, der Filmmusik machte, wegen der Filmrolle anrief, dachte ich: na gut, dann mach ich halt mal einen Film. Es war schwer, aber ich bin vom Glück geküsst worden, dass Barbara Albert die Regisseurin war und sie mich als Laien so durch den Film durchgetragen hat, dass keiner merkte, dass ich das zum ersten Mal gemacht habe“, schmunzelt sie. „Diese Unbefangenheit fehlt mir immer mehr, je mehr Erfahrungen ich habe“, erklärt sie mir sehr offen. „Man wird technischer, analysiert immer mehr. Ich merke manchmal, jetzt hast Du zwischen zwei Sätzen kommentiert und nicht nur einfach gefühlt. Es schleichen sich Sachen ein, die ich nicht will“.

Danach bekam Edita ihre erste durchgehende Rolle in der Serie Medicopter. „Da hieß es dann nur: mach. Ich hatte keine Ahnung wie, denn davor hat man mich ja durchgetragen“, erzählt die Künstlerin humorvoll. Aber du hast es gemacht. „Ja, das war eine gute Schule, für die ich sogar bezahlt bekam“.

Rituale, Erotik und das Weiße Rössl
Ich frage sie nach ihren Ritualen, um aus einer Rolle wieder rauszukommen. „Das Drehschlussbier“, lacht sie. „Da bin ich ganz ehrlich, das ist eigentlich die schnellste Form, um runterzukommen. Ich habe vor zwei Jahren begonnen, Bier zu trinken, und kann jetzt auch mitmachen“. Ernst werdend meint sie aber, dass sie kein richtiges Ritual dafür habe. „Abschminken ist ganz wichtig, das Demaskieren und wieder in seine eigene Kleidung, in seinen eigenen Duft reinzuschlüpfen. Oft quatsche ich beim Nachhause fahren im Auto noch den Fahrer voll“, lacht sie wieder mit ihrer rauen, erotischen Stimme. „Dann bin ich eigentlich durch und brauche nur noch Ruhe“.

Die Partner sind natürlich unterschiedlich schwierig, aber Edita hat keine Berührungsängste. „Meine Mutter hat ein Kaffeehaus und ich bin da praktisch groß geworden, hatte es immer mit unterschiedlichsten ‚Schichten‘ dieser Stadt zu tun. Dazu kommt mein Migrationshintergrund, der Besuch einer katholischen Privatschule im 7. Bezirk, meine beste Freundin kommt aus reichem Haus …..“
Es ist ihr schon wichtig, sich mit den Menschen zu verstehen, mit denen sie arbeitet. „Das ist mein Anspruch, obwohl es für manche Rolle ganz nützlich ist, wenn man sich nicht versteht“, schmunzelt sie. „Aber es ist wie bei Dir als Journalistin, wie knackt man sein Gegenüber, wie entsteht ein bisschen wie privates Gefühl“.

Ich spreche sie darauf an, dass vor allem Sexszenen sicher leichter mit Partnern zu drehen sind, die man ‚riechen‘ kann. „Aber Hallo. Es ist technisch, aber gleichzeitig auch emotional. Man exponiert sich da in einer sehr privaten Form und vielleicht hat es auch mit meiner Kultur zu tun, dass es Momente gibt, wo ich gefühlsmäßig etwas blockiert bin. Ich weiß, dass ich in Zentraleuropa großgeworden, emanzipiert bin und dass Nacktheit nicht immer nur im ausbeuterischen Sinne zu sehen ist. Man kann darin auch eine Stärke, eine Kraft sehen oder auch ein Tool, das wir Frauen nun einmal haben. Erotik, Sexappeal, das kann man sich nicht aneignen, das hat Frau oder nicht. Ich fühle mich geschmeichelt, aber manchmal bin ich überfordert damit, da es mich manchmal im Rollenprofil einschränkt“.
Sehr ehrlich und offen spricht Edita weiter: „Es gab Jahre, wo ich in erster Linie Rollen mit Hardcore Sex und Nacktheit angeboten bekam und schon dachte, ich kann keine andere Rolle mehr annehmen, wenn ich immer die Unterdrückte, die Benutzte spielen soll ….“

„Und dann kam das Weiße Rössl“, werfe ich ein. Edita lacht wieder ihr herrlich tiefes, erotisches Lachen. „Die biedere Geschichte, genau“. Etwas nachdenklich fügt sie noch hinzu: „Und darüber bin ich manchmal sehr dankbar“. Sie fragte sich allerdings: „Who the fuck, wer traut sich, das anzufassen. Ich habe noch nie eine Rolle gespielt, die so traditionell und retro war, so theatralisch, was mir auch nicht wirklich liegt“. Humorvoll erzählt sie weiter, dass sie sich erst keine Chancen ausmalte. „Ich dachte mir, ich heiße Malovcic, die Frau ist Waltraud Haas, urururtraditionell – und alle Mitbewerberinnen waren blond. Ich wusste nur, ich kann mit meinem Gesang punkten. Gecastet wurde damals auch Fritz Karl, den ich sehr cool finde. Er hat dieses Altwienerische reingebracht und das hat mir geholfen, mich in diese Rolle einzufinden. Wir haben das Casting hingeschmettert und es war für uns beide spürbar, dass es passte“. Nach drei weiteren Castingrunden kam dann der Anruf, dass sie das gerne mit mir machen würden und ich dachte mir: wenn die so mutig sind, mit mir das zu machen, dann mache ich es“.
Für Edita war es wie ein politisches Statement, das gesetzt wurde, denn es passierte ihr bei einer anderen österreich-deutschen Co-Produktion, dass gemeint wurde, sie sei keine ‚astreine‘ Österreicherin. „Das wurde damals auch offiziell so gesagt und das hat mich sehr gekränkt. Deshalb hat es mir sehr imponiert, dass sie mich für das Weiße Rössl wollten, gerade weil ich die Malovcic bin und weil ich so anders aussehe“. Und weil Du Österreicherin bist, füge ich noch hinzu. „Ja, und weil ich fucking nochmal Österreicherin bin“.

Musik ist mein Leben
„Ohne Musik kann ich nicht leben“, kommt es beinahe enthusiastisch, als ich Edita nach ihrer Musik frage. Drei Alben hat sie bisher unter ihrem Künstlernamen Madita aufgenommen. Diese wurden vom Musiker Vlado dZihan produziert, der auch der Vater ihres Sohnes ist.
„Ganz egal, ob ich was rausbringe, ich muss schreiben, ich muss singen. Wenn ich daran denke, dass ich seit 5 Jahren kein Album mehr gemacht habe, werde ich richtig traurig“. Als gefragte Schauspielerin hatte sie die letzten Jahre kaum Zeit für die Musik. „Es ist viel passiert in dieser Zeit und ich muss neu beginnen. So habe ich jetzt auch mal versucht, deutsch zu singen. Ich sitze wie auf Nadeln, aber immer wieder kommen Filmprojekte dazwischen, und eine Musikproduktion kostet ja auch viel Geld“.
Edita ist Perfektionistin. „Manchmal versuche ich, aus Normen auszubrechen, will neue Sachen entdecken, auch mit der Stimme. Ich möchte neue Sounds, neue Techniken ausprobieren, möchte sehen was passiert, wenn ich am Vorabend geraucht habe. Andererseits kann ich mich aber von meinem Perfektionismus nicht befreien. Madita war aber auf jeden Fall ein Spiel mit Genres, mit der Popkultur. Ich bin selbst neugierig, was noch kommt“. Ich auch.
Edita privat
Ihr Sohn ist 12 Jahre alt und sehr musikalisch. „Aber noch mehr Schauspieler“, lacht Edita, „er hat einen irrsinnigen Drang sich darzustellen. Unfassbar. Wir haben jetzt sogar einen Rap zusammen aufgenommen. Er hat ein Gefühl für Rhythmik, Kontrolle und Loslassen, wenn der Fluss kommt, das ist wie im Schauspiel. Er hat Talent würde ich sagen, was er draus macht, ist seine Geschichte“, ergänzt sie noch schmunzelnd.
Auf meine Frage, wie er mit seiner Mutter als erfolgreiche Schauspielerin und Sängerin umgeht, erfahre ich: „Er findet gut was ich mache. Er ist auch stolz darauf. Manchmal, glaube ich, überfordert es ihn. Man will ja seine Mutter immer für sich haben, mich teilen zu müssen, geht bis zu einem gewissen Grad, aber dann will er mich wieder für sich. Ich bin so froh ihn zu haben“. Edita ist eine junge Mutter. „Meine Mutter war 20, als ich geboren wurde und ich war immer wahnsinnig stolz, dass ich eine so junge Mami habe und dachte mir, ich warte auch nicht“.

Beruflich und privat versucht die 1978 in Wien geborene Schauspielerin strikt zu trennen. Sehr wichtig ist ihr Treue, auch ein bisschen Romantik darf sein. Runterkommen kann sie beim Joggen und mit ihrer Musik. „Und mein Kind erdet mich extrem“, fügt Edita noch hinzu.
Eine Freude kann man ihr mit ‚Auszeiten‘ machen. „Meine Freundin entführt mich öfters zu ihrem Pferd, das genieße ich“. Sehr wichtig in ihrem Leben ist ihr auch Liebe. „Ein Leben lang Single zu sein oder keine Familie zu haben, kann nicht nachvollziehen. Aber sehnen wir uns nicht alle nach Geborgenheit, Sicherheit, nach einem Hafen? Im Endeffekt bin ich aber dabei herauszufinden, wie ich mir das selber geben kann. Ich habe zu lange in meinem Leben geglaubt, dass das von einem Partner abhängig ist“, kommt es etwas nachdenklich von dieser charismatischen Frau.
Wie gewinnt man Dein Vertrauen, möchte ich von ihr wissen. Ohne Nachzudenken kommt es von Edita: „Mit Ehrlichkeit, mit Offenheit. Mir genügt auch ein Moment, in dem mich jemand ganz tief blicken lässt, ich mag die Menschen, die sich mir gegenüber öffnen“.

Edita erhebt für sich den Anspruch, nicht schwierig zu sein. „Natürlich kann ich auch mal rumzicken und es gibt Tage, an denen ich mich nicht mag. Aber ich versuch, das bei mir zu lassen“. Mit drei Worten beschreibt sie sich als wahnsinnig emotional, impulsiv und sehr sensibel. „Man sagt, wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten, das entspricht mir sehr. Ich bin schon sehr extrem, aber vielleicht schaff ich es im Laufe meines Lebens noch, einen Mittelweg zu finden“, lacht sie und macht sich auf den Weg zum nächsten Termin.