Paul Pizzera – Solange Sie lachen, leben Sie

Hawi d'Ehre live - Paul Pizzera, Philipp Hansa, Gabi Hilller. (Foto Ulrike Rauch)Der erfolgreiche Musiker, Kabarettist, Autor, Schauspieler und Podcaster trat schon im Burgtheater und an der Staatsoper auf und füllte die größten Hallen des deutschen Sprachraums. In seinem neuen Buch „Der König der Möwen“ behandelt er das Thema „Suizid“.

Die Songs von Pizzera & Jaus sind überaus erfolgreich oft wochenlang in den Charts, und bekamen schon mehrere Amadeus Awards.. (Foto Moritz Schell)
Die Songs von Pizzera & Jaus sind überaus erfolgreich oft wochenlang in den Charts, und bekamen schon mehrere Amadeus Awards.. (Foto Moritz Schell)

Paul Pizzera möchte die Leser mit dem Buch „Der König der Möwen“ trotz des sehr ernsten Themas zum Lachen bringen. In einem launigen Dialog seiner beiden Protagonisten beleuchtet er die unterschiedlichen Aspekte eines Suizids. Er möchte den Menschen auf humoristische Art und Weise die Angst vor psychotherapeutischen Maßnahmen nehmen. „Im besten Fall soll es dazu führen, sich bei seinen Problemen von Spezialisten helfen zu lassen.“

Mit der Journalistin Hedi Grager spricht Paul Pizzera nicht nur über sein neues Buch „Der König der Möwen“, das das Tabuthema Suizid behandelt, sondern über vieles mehr. (Foto privat)
Mit der Journalistin Hedi Grager spricht Paul Pizzera nicht nur über sein neues Buch „Der König der Möwen“, das das Tabuthema Suizid behandelt, sondern über vieles mehr. (Foto privat)

Unser Interview beginnt schon sehr gut, weil Paul mir zugesteht, dass wir über alles sprechen können. Wir beginnen gleich mit dem Tabuthema Suizid. „Darüber spricht man nicht“, meint Paul, „deshalb zeigt „Der König der Möwen“ mit denselben Protagonisten wie in meinem ersten Buch, dass grad Männer sich sehr schwertun, bei Problemen in Therapie zu gehen.“ Dass es vor allem Männer sind, ist statistisch belegt. „Besonders beim Thema Suizid, das gesellschaftlich ein leider noch immer sehr verpöntes Thema ist, trifft das zu. Wir haben in Österreich dreifach so viele Selbstmorde als beispielsweise Tote im Verkehr. Das kann man sich gar nicht vorstellen, ist aber so“, schildert er engagiert. Es ist wohl überwiegend falscher Stolz, der vor allem Männer hindert, sich Hilfe zu suchen. „Es ist eine so großartige Leistung, wenn es jemand endlich schafft zuzugeben, es nicht alleine zu schaffen. Das wird oft mit Schwäche verwechselt, ist aber im Gegenteil eine Stärke. Das hat oft mit der Erziehung und dem gesellschaftlichen Bild zu tun, immer souverän, immer stabil sein zu müssen, nicht weinen zu dürfen und alles alleine zu schaffen.“

„Das Leben verliert, wenn man erst mal glaubt, man kann nichts mehr lernen“

Sein Buch erhebt natürlich keinen wissenschaftlichen Anspruch, wie man eine Therapie führen soll. Aber es soll die Angst nehmen und mit Humor möglichst viele Menschen erreichen. Paul weiß, wovon er spricht, „denn ich bin ein Mann, ich war in Therapie und das hat mir wahnsinnig viel geholfen.“ Mit einem Schmunzeln erzählt er vom Rat der Profis, dass es bei Männern hilft, wenn man nicht von Hilfe suchen spricht, sondern von Troubleshooting. „Du musst Männer glauben lassen, es ist eine Challenge. Aber der Grund ist ja eigentlich ganz egal, Hauptsache ist doch, dass sie sich helfen lassen.“

Paul Pizzera findet es spannend, wie man mit einem gewissen Wording Menschen beeinflussen kann. (Foto Ulrike Rauch)
Paul Pizzera findet es spannend, wie man mit einem gewissen Wording Menschen beeinflussen kann. (Foto Ulrike Rauch)

Er findet es spannend, wie man mit einem gewissen Wording Menschen beeinflussen kann, sich etwas Gutes zu tun. „Und das hat natürlich mit Stolz zu tun. Von dem haben wir Männer alle zu viel, inklusive der sprechenden Person“, kommt es sehr offen von Paul. Es ist ihm ein Anliegen, Menschen zu sensibilisieren, über ihre Probleme zu sprechen, egal mit wem. Manchen hilft schon ein Gespräch mit einem guten Freund bei einem Bier, „aber wenn es um Themen wie Selbstmordgedanken, Spielsucht, Gewalt und ähnlichem geht, sollte jeder daran denken, immer die bestmögliche Version seiner selbst zu sein. Ich finde es sogar als meine verdammte Pflicht, dass ich eine bessere Nuance meiner selbst für andere bin“, meint Paul.

An schwierige Themen geht er am liebsten mit Humor heran, um damit Menschen zu erreichen. „Das, was ich kann, ist schreiben, damit Leute berühren und sie zum Lachen  bringen. Ich versuche nicht, mit dem Zeigefinder zu wackeln, sondern mit einer Clownsnase.

Schwäche zeigen und Hilfe annehmen
Auch für Paul war es ein langer Lernprozess, aber er hat es geschafft, sich öffnen zu können. „Es ist ja nicht so, dass ich mir gleich dachte, dass ich ein Problem habe und mir helfen lassen muss. Es war eine totale Überwindung für mich und ich hatte anfangs große Angst, nicht mehr kreativ sein zu können oder draufzukommen, dass ich ein „A“ bin.“ Er kommt bei seinem Rückblick auf einen Freund zu sprechen, der beruflich viele schlimme Dinge sieht und mit dem er sich gemeinsam Hilfe holte. Mit einem kleinen Augenzwinkern meint Paul, dass er seinem Freund immer sagte, wie wichtig es für ihn sei, sich helfen zu lassen. „Und bei mir dachte ich, nein, ich brauche das nicht. Es ist halt ein haushoher Unterschied zwischen Ratschläge geben und Ratschläge leben. Es ist ja auch etwas sehr Intimes, sich zu öffnen. Es ist wie nackt vor Menschen zu stehen, nicht ohne Kleidung, sondern mit Gefühlen.“

An schwierige Themen geht er am liebsten mit Humor heran, um damit Menschen zu erreichen. „Das, was ich kann, ist schreiben, damit Leute berühren und sie zum Lachen  bringen. (Foto Ulrike Rauch)
An schwierige Themen geht er am liebsten mit Humor heran, um damit Menschen zu erreichen. „Das, was ich kann, ist schreiben, damit Leute berühren und sie zum Lachen  bringen. (Foto Ulrike Rauch)

Ich spreche Paul darauf an, dass er es nicht so gerne mag, ein Star genannt zu werden. Aber du bist einer, meine ich. „Das ist total nett, aber das Leben lebt sich erstens viel einfacher und mit weniger Druck, wenn man weiß, wie vergänglich man doch ist. Ich weiß, dass ich schon viel Blödsinn gesagt habe und noch viel Blödsinn sagen werde. Ich denke mir immer, hab Spaß, tue Gutes und versuche so wenig wie möglich zu zweifeln, ob du genügst.“

Natürlich möchte Paul mit und bei seinen Auftritten den Menschen eine Message mitgeben. „Na klar, wenn ich schon ein XYZ-Promi bin, wäre es doch auch gut, wenn ich jemandem helfen kann. Und nach meinem ersten Buch ‚Der hippokratische Neid“ oder nach unserem Lied „Klana Indiana‘ war es wirklich überwältigend, dass wir tausende Mails von Frauen bekommen haben. Diese haben sich bedankt, dass sich der Mann oder Sohn endlich über gewisse Dinge zu sprechen trauen. Schon für einen alleine hätte sich das alles ausgezahlt, aber dass es so vielen geholfen hat, ist schon cool und macht mich stolz.“

PIZZERA & JAUS. (Foto Moritz Schell)
PIZZERA & JAUS. (Foto Moritz Schell)

Bummvolle Stadthalle
Es muss ein tolles Gefühl sein, dreimal die Stadthalle zu füllen, was bisher nur Tina Turner oder Udo Jürgens geschafft haben. Aber wo viel Licht ist, gibt es wohl auch Schatten?
„Wenn ich um 4 Uhr morgens von einem Auftritt nach Hause gehe und dabei in eine Polterrunde hineinlaufe, kommt einem schon der Gedanke, wäre ich doch lieber Bankberater geworden“, lacht Paul. „Aber ich bin einfach dankbar, dass ich meinen kreativen Tuscher ausleben darf. Aber der Gedanke macht Druck, ob ich es vielleicht ein viertes Mal schaffen kann, die Stadthalle zu füllen und ich hoffe da ganz stark auf das Alter“, lacht er wieder. „Es ist überhaupt eine totale Illusion zu glauben, dass du permanent weißt, was du willst und wer du sein willst.“ Leicht nachdenklich meint er noch: „Vielleicht werde ich einmal passionierter Schneckenzüchter sein, ich weiß es nicht. Aber jetzt grad taugt mir dieses Erschaffen, dieses Kreieren total. Ich habe noch so viele Dinge in mir, die nach außen müssen.“

222 Millionen Streams des Duos Pizzera & Jaus sind die digitale Erfolgsbilanz der Alben und Songs des Duos auf YouTube und Audio-Plattformen. "Eine ins Leben" hat alleine mehr als 20 Millionen Streams. (Foto Moritz Schell)
222 Millionen Streams des Duos Pizzera & Jaus sind die digitale Erfolgsbilanz der Alben und Songs des Duos auf YouTube und Audio-Plattformen. „Eine ins Leben“ hat alleine mehr als 20 Millionen Streams. (Foto Moritz Schell)

Liebe, Rock Life und Kirchenmaus
Über Pauls Privatleben ist zwar bekannt, dass er mit der attraktiven Schauspielerin Valerie Huber verlobt ist, und er versucht ist, sein privates Leben weitgehend auch privat zu halten.

Wenn er das Gefühl bekommt, einmal zwei Tage lang niemanden sehen zu wollen, weiß er, dass er zu viel arbeitet. „Im vergangenen Herbst habe ich ein 3. Album geschrieben, war auf Tour, arbeitete an meinem zweiten Buch und der Filmmusik für einen Film, an der Gründung der neuen Band und dem wöchentlichen Podcast – manchmal frage ich mich selbst, wie sich das ausgegangen ist.“

Kraft tankt er im Wald oder am Berg. „Auch beim Kochen“, lächelt Paul, „und ich habe mittlerweile eine gescheitere chronologische Architektur für mich gefunden.“ Auf meine Frage, Du hast also gelernt, Nein zu sagen, meint er: „Die wichtigsten vier Buchstaben in meinem Berufsleben.“ Ich muss schmunzeln, als er sagt, dass vor mir überhaupt die bravste Kirchenmaus sitzt, ohne kraftzehrenden Rock Life Style.

Erfolg ist für Paul eine Mischung aus Leistung und Zufall. „Leistung kann ich beeinflussen, Zufall nicht. Für den bin ich dankbar.“ Es macht ihn stolz, dass er sich seinen Erfolg ganz alleine erarbeitet hat, „mit meinen eigenen Händen, meinem Hirn und meiner Stimme. Das ist cool.“

„Hawi D´Ehre“ ist der Podcast von Paul Pizzera, Gabi Hiller & Philipp Hansa für Jedermann und jede Frau, der oder die gerne über das Leben nachdenkt und -hört. (Foto Ulrike Rauch)
„Hawi D´Ehre“ ist der Podcast von Paul Pizzera, Gabi Hiller & Philipp Hansa für Jedermann und jede Frau, der oder die gerne über das Leben nachdenkt und -hört. (Foto Ulrike Rauch)

Nicht jeder kann Bühne
Bühne kann nicht jeder, weiß Paul. „Es braucht große Selbstreflexion und eine Selbstunsicherheit. Ich habe bei vielen ‚Bühnen-Menschen‘ erlebt, dass sie es brauchen zu hören, dass sie gut sind. Wenn du in deiner Mitte bist, brauchst du das nicht.“

Er erinnert sich an einen Ausspruch von Picasso auf die Frage, warum er – obwohl er zu Lebzeiten schon so ein gehypter Typ war – noch immer täglich so viel male und was sein Antrieb sei. Der meinte darauf, weil er einmal wirklich lieben will, bevor er stirbt. Und er hat sich selbst damit gemeint.“ Paul spricht auch Thomas Spitzer an, der textlich sein größtes noch lebendes Vorbild ist: „Er hat immer gesagt, wenn du ein Talent hast, dann bist du dem verpflichtet. Wenn du etwas sauguat kannst, dann musst du das machen, damit du vielen Menschen was Schönes tust – und du bist dann nicht so wichtig, auch wenn es dir nicht immer Freude macht. Das ist ein sehr radikaler Zugang, aber ich kann dem etwas abgewinnen.“

Seit Jahren sind Pizzera & Jaus' Hits durchgehend in den Charts, oft mehrere gleichzeitig, und sie erhielten 11 Platin-Auszeichnungen. (Foto Ulrike Rauch)
Seit Jahren sind Pizzera & Jaus‘ Hits durchgehend in den Charts, oft mehrere gleichzeitig, und sie erhielten 11 Platin-Auszeichnungen. (Foto Ulrike Rauch)

Emotionale Erinnerungen
In seinem Leben hat Paul schon sehr viele schöne Erinnerungen gesammelt. „Es war cool und leiwand zu hören, als 2019 das erste Mal wegen uns über Ö3 eine Verkehrswarnung für den Raum Stadthalle Wien kam: Rechnen sie mit Verzögerung wegen des Pizzera & Jaus-Konzerts.“

Auch wenn er der Meinung ist, Spenden tut man leise, möchte ich mit ihm darüber sprechen, denn immer wieder erfüllt der Künstler „last wishes“. „Einmal waren wir bei einem Konzert in Tirol, da hat das Rote Kreuz einen 16-Jährigen samt seiner Familie reingeführt, der nur mehr liegen konnte. Er durfte der DJ sein und die Songs ansagen. Es war so schön, ihm und seinen Geschwistern zumindest kurz eine tolle Zeit zu ermöglichen. Ein anderes Mal waren wir bei einem krebskranken Mädchen zu Hause, weil es ihr 15. und wahrscheinlich letzter Geburtstag war. Wir haben ihr ein paar Lieder vorgespielt und sie durfte alles machen, was sie wollte.“ Als sie dann noch ein Bussi von Paul haben wollte, einigte er sich mit ihrer Mutter auf ein Bussi auf die Wange. „Weißt Du, 100.000 Menschen auf der Donauinsel oder dreimal eine volle Stadthalle ist schon geil, aber diese starken Emotionsgeschichten sind unbezahlbar“, kommt es leise und gefühlvoll von ihm.

Es ist schön zu spüren, dass dieser großartige und erfolgreiche Künstler immer am Boden geblieben ist. „Du musst immer wissen, wie verzichtbar und austauschbar du bist.“

Der erfolgreiche Künstler Paul Pizzera ist immer am Boden geblieben. „Du musst immer wissen, wie verzichtbar und austauschbar du bist.“ (Foto Moritz Schell)
Der erfolgreiche Künstler Paul Pizzera ist immer am Boden geblieben. „Du musst immer wissen, wie verzichtbar und austauschbar du bist.“ (Foto Moritz Schell)

Wenn Paul nicht auf der Bühne gelandet wäre, „dann wäre er vielleicht Psychiater geworden“, lacht Paul. „Mit Menschen zu sprechen, das hätte mir getaugt. Ich war während meines Studiums lange Pfleger für körperlich beeinträchtigte Kinder. Das war sehr anstrengend, hat mir aber total getaugt. Auf alle Fälle hätte ich immer etwas mit Menschen gemacht“, ist er sich sicher.

„Besser ist, aus Liebe den Verstand zu verlieren, als aus Verstand die Liebe zu verlieren“

Aktuell starteten Christopher Seiler, Paul Pizzera und Daniel Fellner als neue Supergroup AUT of ORDA und kreierten ein neues Musikgenre: Dialektpop für den Dancefloor. Ihre neue Single heißt „Wigl Wogl“. „Als Pizzera & Jaus spielen wir bis Ende des Jahres und im Oktober hat unser neuer Film Premiere. Und dann kommt heuer noch etwas ganz Fettes, aber darüber kann ich Dir noch nichts erzählen“, schließt er mit einem Schmunzeln.

Großes Beitragsfoto: Der erfolgreiche Musiker, Kabarettist, Autor, Schauspieler und Podcaster behandelt in seinem neuen Buch „Der König der Möwen“ er das Thema „Suizid“. (Foto Ulrike Rauch)

www.paulpizzera.at    

 

 

 

 

 

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