Verena Altenberger: Mit großer Bühne kommt große Verantwortung

Film Sterne unter der Stadt mit Verena Altenberger (Foto Hedi Grager)Die gebürtige Salzburgerin ist eine der vielseitigsten, gefragtesten und interessantesten Schauspielerinnen des Landes. Zuletzt lief ihr Film „Sterne unter der Stadt“ im Kino, am Sonntagabend verabschiedet sie sich im Ersten von vier Jahren als Oberkommissarin Elisabeth Eyckhoff im Münchner Polizeiruf.

„Sterne unter der Stadt“ konnte beim Filmfest MV in Schwerin als bester Film und Verena Altenberger als beste Schauspielerin abräumen. (Foto Peter Müller)
„Sterne unter der Stadt“ konnte beim Filmfest MV in Schwerin als bester Film und Verena Altenberger als beste Schauspielerin abräumen. (Foto Peter Müller)

Beim Österreichischen Filmpreis war „Sterne unter der Stadt“ in vier Kategorien nominiert, beim Filmfest MV in Schwerin konnte das Märchen bereits als bester Film und Verena Altenberger als beste Schauspielerin abräumen.

„Sterne unter der Stadt“ ist ein wunderbarer Liebesfilm, in dem sich Verena Altenberger und Thomas Prenn im Wiener Untergrund – in einer U-Bahn-Station – ineinander verlieben. Als ich die großartige Schauspielerin bei der Premiere in Graz treffe, möchte ich von ihr wissen, ob sie den Film schon fertig gesehen hat und wie sie ihn jetzt findet. „Ich habe ihn im September beim Teamscreening gesehen als er grad fertig war“, erzählt sie. „Bei mir ist es immer so, wenn ich einen Film zum ersten Mal sehe, finde ich ihn furchtbar.“ Sie lacht bei meinem etwas ungläubigen Blick. „Es ist wirklich so, ich habe zwei Phasen von furchtbar. Aber da meine Filmgenese immer gleich ist, beunruhigt es mich nimmer. Es läuft so ab: Ich lese ein Drehbuch, ich will es unbedingt machen, ich bereite mich vor, ich lieb’s, ich bin begeistert, wir haben Leseproben. Aber eine Woche vor Dreh habe ich das Gefühl, was ist das denn, warum habe ich zugesagt.“ Verena lacht ihr mitreißendes Lachen und erklärt mir weiter: „Dann fange ich an zu drehen, liebe es wieder und dann versuche ich es loszulassen. Und das funktioniert auch immer ganz gut, weil relativ schnell – sie klopft rasch auf Holz – das nächste Projekt kommt. Irgendwann kommt dann der Zeitpunkt, an dem ich keinen emotionalen Bezug mehr dazu habe. Wenn ich den Film dann das erste Mal sehe, sehe ich oft doofe Kleinigkeiten wie ein gefühltes Doppelkinn, oder denke mir, warum haben sie diese Szene rausgeschnitten, die war doch so wichtig. Irgendwie sehe ich keinen Film im Ganzen, sondern mich und andere in seltsamen Situationen“, lacht sie wieder. Als sie den Film dann in Schweden bei der internationalen Festival-Premiere zum zweiten Mal sah, war sie begeistert. „Ich bin richtig stolz auf den Film.“

Journalistin Hedi Grager im Gespräch mit Verena Altenberger bei der Premiere von "Sterne unter der Stadt" in Graz. (Foto Reinhard Sudy)
Journalistin Hedi Grager im Gespräch mit Verena Altenberger bei der Premiere von „Sterne unter der Stadt“ in Graz. (Foto Reinhard Sudy)

Buhlschaft mit Glatze
Auf die Frage, ob sie sich nochmals eine Glatze rasieren lassen würde, meint Verena: „Ja, rückblickend bin ich wahnsinnig dankbar, dass ich mir diese Glatze rasiert habe und dass es auch möglich war, denn davor musste mit vielen Produktionsfirmen verhandelt werden und natürlich auch mit den Salzburger Festspielen. Bettina Hering, die Schauspielchefin der Salzburger Festspiele, hat bei der Salzburg Premiere zu mir gesagt, dass sie das Gefühl hat, dass ich eigentlich erst nach dem Rasieren meiner Glatze zu der Schauspielerin geworden bin, die ich eigentlich schon immer war. Das habe ich eine total gute Beschreibung gefunden für das, was auch ich fühle“, meint die Schauspielerin in ihrer herzlichen Art, die immer down-to-earth geblieben ist. Leicht nachdenklich führt sie fort: „Das war für mich ein so wichtiger Schritt und eine wertvolle Erfahrung, eine Tabula Rasa, ein Loswerden von allem Unwichtigen – einfach nur spielen und auch dieses Gefühl, mein Gesicht keinen Centimeter mehr verstecken zu können. Insofern bin ich erstens total dankbar, dass es möglich war und ich es gemacht habe, und andererseits würde ich es eben wieder machen.“

Gleich nach dem Dreh von „Sterne unter der Stadt“ kam ihre Buhlschaft bei den Salzburger Festspielen und dann „Gesicht der Erinnerung“ von Dominik Graf. „Das ist zwar ein ganz anderer Film, aber auch wieder eine Liebesgeschichte mit Krebs. Da bin ich am Ende zwar auch mit Glatze zu sehen, aber nur für einen Drehtag und in einem ganz anderen Setting als bei „Sterne unter der Stadt‘. Da habe ich sie mir dann kleben lassen, denn da war auch diese ganze Aufregung noch so frisch mit den hassvollen Kommentaren neben den vielen schönen. Aber für den einen Tag war es mir dann wirklich lieber, nicht zu rasieren, sondern zu kleben.“

Hass-Postings blockiert oder löscht die beliebte Schauspielerin Verena Altenberger auf Instagram, aber meist ist ihre Reaktion eine Antwort. (Foto Hedi Grager)
Hass-Postings blockiert oder löscht die beliebte Schauspielerin Verena Altenberger auf Instagram, aber meist ist ihre Reaktion eine Antwort. (Foto Hedi Grager)

Kannst Du Dich gegen die Hasskommentare halbwegs gut abgrenzen, möchte ich von Verena wissen und muss erfahren: „Überhaupt gar nicht. Und das finde ich auch in Ordnung, dass ich es nicht kann, weil ich hoffe, dass es anderen hilft, es ok zu finden, dass das weh tut. Wie ich schon öfters gesagt habe, es gibt keinen Hass im Netz, es gibt nur Hass. Es gibt Menschen, die wollen, dass es anderen Menschen schlecht geht, und wie soll ich mich dagegen abgrenzen? Wenn mir jemand auf der Straße sagt ‚du bist schiach‘, dann tut es mir genauso weh, als wenn mir das jemand auf Instagram schreibt. Dort passiert es natürlich häufiger, weil das Internet den Schreibern eine vermeintliche Anonymität bietet.

Stupide Hass-Postings blockiert oder löscht Verena, aber meist ist ihre Reaktion eine Antwort. „Eine ist ‚Hallo, hier ist ein Mensch, ich habe das gerade gelesen, warum sagst Du das, willst du mir weh tun? Wenn das dann wiederholt wird oder nichts kommt, denke ich mir, ok, du bist ein Mensch, der offensichtlich anderen weh tun möchte. Tut mir leid für dich, weil ich glaube, es lebt sich als Mensch nicht sehr gut, wenn man hasst.“ Als zweite Variante fragt sie den Poster, ob er ihr erklären möchte, was ihn gerade aufregt. „Denn dann kann die Person eventuell in einen Dialog treten und vielleicht lernen wir sogar beide etwas daraus. Oder ich frage, ob sie sich vielleicht sogar entschuldigen möchten, weil sie jetzt erst kapiert haben, dass sie jemandem anderen weh getan haben. Und erstaunlicherweise oft kommt eine Entschuldigung“, ergänzt Verena lächelnd.

Sehr engagiert setzt sich Verena für Themen ein, die ihr wichtig sind. Findest Du, dass jemand mit Deinem Bekanntheitsgrad auch eine Verpflichtung dazu hat, möchte ich wissen. „Ja. Ich finde, mit großer Bühne kommt große Verantwortung. Natürlich kann man die leugnen und ignorieren, und ich verstehe jeden, der das tut. Ich selbst könnte es erstens gar nicht und ich finde es auch nicht richtig für mich. Deshalb übernehme ich die Verantwortung, so gut ich eben kann.“

Verena Altenberger hat gemeinsam mit Regisseur und Produzent Arash T. Riahi die Präsidentschaft der Akademie des Österreichischen Films über. (Foto Hedi Grager)
Verena Altenberger hat gemeinsam mit Regisseur und Produzent Arash T. Riahi die Präsidentschaft der Akademie des Österreichischen Films über. (Foto Hedi Grager)

Ich komme nochmals auf ihren Film ‚Sterne unter der Stadt‘ zurück und auf das wunderbare Zusammenspiel mit ihrem Filmpartner Thomas Prenn. „Er ist ein wahnsinnig sensibler, feiner Mensch und ein großartiger Kollege. Thomas hat zwei ganz tolle Eigenschaften, die ich beim Spielen sehr spannend finde. Man kann mit ihm Absprachen treffen und sich drauf verlassen, dass sie dann auch so passieren. Und die schwierigere ist, nämlich vor allem in der Gleichzeitigkeit, dass Überraschungen möglich sind. Das ist eine Kombination von Eigenschaften, die Spielen halt so aufregend machen, weil es sich einerseits sicher anfühlt und andererseits trotzdem total frei und überraschend ist, nicht vorbereitet und nicht ausgemacht. Diese Kombination von Eigenschaften bei einem Kollegen ist nicht selbstverständlich. Ich finde, wir sind ein ungewöhnliches Paar. Ich habe dazu von Beatrice Frasl, eine meiner Lieblings-Feministinnen, eine interessante Publikumsreaktion gehört: Der Film bietet auch interessante Männlichkeiten, weil er nicht ein klassischer Liebesfilm ist, wo der Mann auf eine vermeintlich klassische Art die Frau erobert, der kein Macker ist, sondern ein ganz verletzlicher, weicher und hochsensibler Mann, der zu seinen Ängsten steht und trotzdem was riskiert. Wir sind nicht auf den ersten Blick ein Paar, das wie die Faust aufs Auge passt, sondern sich eben erst durch dieses Zusammenspiel dazu entwickelt. Umso größeres Lob an die beiden Casterinnen Marion Rossmann und Martina Poel, die das schon im Vorfeld gesehen haben. Und natürlich an Regisseur Chris Reiber, der letztendlich die Besetzung entscheidet.“

Emotional und herausfordernd
War einer der anstrengendsten Drehs für Verena ihre Rolle als Höhlenforscherin im TV-Drama ‚Riesending – Jede Stunde zählt‘. „Der Dreh in der Höhle war körperlich extrem anstrengend. Von drei Monaten Drehzeit waren wir fünf Wochen in einer Höhle, wo wir teilweise morgens rein und abends raus sind. Wir sahen über Wochen kaum Tageslicht, in der Höhle hatte es permanent zwischen 1 und 8 Grad. Es war ständig nass und man konnte sich nirgends hinsetzen, weil man sonst gleich einen nassen Hintern hatte“, erzählt Verena. „Und das in Kombination mit den vielen Stunts, die wir alle selbst gemacht haben.“ Bei manchen dieser Stunts gab es keine Sicherung außer der Eigensicherung. „Beim Abseilen gibt es immer diesen Knotenpunkt, wo man quasi umsteigt in das nächste Seil – und in diesem Moment sichere ich mich selber“, erklärt mir Verena. „D.h., da gab es kein zweites Seil, kein grünes Seil, das im Nachhinein wegretuschiert wird. Wenn ich mich da falsch umhake, den Knoten nicht richtig mache …. Das fand die Schauspielerin zwar aufregend, aber körperlich sehr anstrengend. „Aber I love it“, begeistert sich Verena wieder.

Verena Altenberger bei der Wien-Premiere von "Sterne unter der Stadt". Im Bild mit Journalistin Hedi Grager. (Foto privat)
Verena Altenberger bei der Wien-Premiere von „Sterne unter der Stadt“. Im Bild mit Journalistin Hedi Grager. (Foto privat)

„Sterne unter der Stadt“ war für sie der Film, der ihr am nächsten gegangen ist, weil ihre Mama an Krebs erkrankt und gestorben ist. „Da war es dann für mich immer wieder wichtig, einen Schritt zurückzumachen, mir zu sagen, dass ich jemanden Krebskranken spiele und nicht selber Krebs habe. Denn das habe ich während des Drehens nicht so richtig geschafft“, erzählt sie sehr offen und auch, dass sie zwei Monate lang immer Kopfweh hatte und schlecht schlief. „Die Magie des Schauspielens ist ja, dass man seinem Körper etwas vorspielt, was er einem irgendwann glaubt – und dann entsprechend reagiert. Aber das war schon sehr anstrengend.“ Sie erzählt von einem Gespräch mit Regisseur Adrian Goiginger nach der Salzburg Premiere. „Er hat mich gefragt, ob ich noch weiß, was ich nach dem letzten Drehtag zu ihm gesagt hätte. Ich wusste es nimmer, worauf er sagte, ‚Du hast gesagt, Spaß hat’s keinen gemacht‘.

Man könnte sagen, dass es bei Verena eine doppelte Belastung war, denn einerseits war es die traurige Erinnerung an den Tod ihrer Mama, und andererseits ist sie jemand, der unheimlich tief in eine Rolle eintaucht und sich extrem gut vorbereitet. Das ist ihr auch deshalb so wichtig, weil es ihr eine gewisse Sicherheit gibt. „Das war auch bei ‚Sterne unter der Stadt‘ so. Chris Raiber und ich haben das erste Mal miteinander gearbeitet und da muss man erst eine gemeinsame Sprache finden. Wir haben uns sehr früh darauf verständigt, dass ich durchgehend als Caro angesprochen werde. Normalerweise habe ich damit nicht so ein Problem, aber da war es wirklich so, dass ich zwei Monate lang durchgehend nur die Caro war und so angesprochen wurde.“ Aber macht es das für dich nicht viel schwieriger, aus der Rolle zu kommen, frage ich Verena und erfahre: „Ja, eigentlich wird es unmöglich.“ Sie erzählt weiter: „Nach Drehschluss war ein paar Tage später die Eröffnung der Diagonale und ich bin nach Graz gekommen, es war die erste Diagonale nach Corona. Und es ist ja die Magie der Diagonale, dass sich die ganze Filmbranche im ersten frühlingshaften Ambiente in Graz trifft, dass man sich unterhält und freut, sich wieder zu sehen. Und es liegt auch ein gewisser Flirt in der Luft. Für mich war es echt faszinierend zu merken, dass ich mich ohne meine Haare so unweiblich gefühlt habe. Ich habe mich in dieser Flirtumgebung lächerlich gefühlt, so verinnerlicht hatte ich meine Rolle. Es ist so schwer zu beschreiben, aber ich versuche es. In dem Moment, wo ich flirte, merke ich, dass sich ein kleiner Schalter umlegt: Flirt. Und immer dann hat sich ein größerer Schalter umgelegt und mir gesagt, das ist lächerlich, was du grad tust. Du bist grad nicht schön, hör auf damit.“ Leicht nachdenklich meint sie weiter: „Unglaublich, was man so in sich hat an Sozialisierung, von wegen ohne meine langen Haare bin ich nicht weiblich genug um flirten zu dürfen. Ich bin sehr froh, dass ich das losgeworden bin“, kommt wieder ihr ansteckendes Lachen durch.

Social media
Die Schauspielerin meint, “eine Offenheit bei gewissen Themen bietet mir einen Schutz. Ich habe das Gefühl, wenn ich etwas zu verstecken versuchte, hätte ich viel mehr Angst, dass es trotzdem entdeckt wird. Und in dem Moment, wo ich sage, ich fühle mich grad unsicher, grad nicht schön oder was auch immer, kann es zumindest nimmer ungewünschter Weise entdeckt werden. Also meine Offenheit ist eigentlich wie ein Schutzschild für mich. Auch wenn das paradox ist.“ Beruflich oder privat, möchte ich von ihr wissen. „Trenne ich überhaupt Berufliches und Privates überlege ich gerade. Ich bin ja irgendwie mein Beruf, das bringt ja auch das Künstlerinnensein mit sich.“ Es ist also eine Gratwanderung, frage ich weiter, worauf sie meint: „Ja total, ich versuche aber mein Privatleben absolut privat zu halten. Ich finde, es ist ein Unterschied, ob ich erzähle, was ich alles tue, oder offen mit meinen Emotionen umgehe.“

Zum Thema Schönheitswahn meint sie: „Ich finde es wichtig, immer zu sagen, es ist ein Privileg, sich eine Glatze zu rasieren, ohne dass man es muss. Im Englischen gibt es die Bezeichnung Pretty Privilege, dass man selbst an den Tagen noch immer als normschön wahrgenommen wird, an denen man sich selbst nicht mag, nicht schön fühlt und vielleicht auch wirklich nicht so hübsch wie sonst ist. Es ist für mich ein viel Leichteres zu sagen als vielleicht für andere, ah‘ schau, da habe ich ein Doppelkinn gehabt oder da war meine Haut nicht so schön.“

Für die neue Version von „Auf den Dächern“ haben Garish die Amadeus-Preisträgerin Ina Regen und den Schauspiel-Star Verena Altenberger ans Mikro gebeten. (Foto Peter Müller)
Für die neue Version von „Auf den Dächern“ haben Garish die Amadeus-Preisträgerin Ina Regen und den Schauspiel-Star Verena Altenberger ans Mikro gebeten. (Foto Peter Müller)

Song mit Ina Regen
Ich spreche Verena auch darauf an, dass ich sie zum ersten Mal singen hörte und begeistert war. Denn für die neue Version von „Auf den Dächern“ haben Garish die Amadeus-Preisträgerin Ina Regen und den Schauspiel-Star Verena Altenberger ans Mikro gebeten. Sie lacht wieder herzlich. „Ja, ich singe gerne, habe aber wahnsinnig viel Angst davor. Einerseits habe ich nicht wirklich das Gefühl, das ich gut singen kann. Ich kann, glaube ich, schon gut Texte interpretieren und auch einen gesungenen Text mit einer Interpretation füllen, die interessant ist. Aber ich bin niemand, der von Haus aus so musikalisch ist. Als Schauspielerin hat man zumindest Gesang am Lehrplan, aber ich habe Freundinnen ohne jegliche musikalische Vorbildung, die ein Lied hören und gleich die zweite Stimme dazu singen, und ich frage sie, how do you know? Also so gesehen bin ich im Vergleich dazu überhaupt nicht musikalisch. Und ich habe früher am Theater ein paar wirklich ungute Situationen gehabt. Damals waren Machtstrukturen noch deutlich spürbarer als sie heute in meiner Position sind. Also als junge Schauspielerin habe ich ein paarmal so einen auf den Deckel bekommen wegen meines Gesangs, dass ich das echt unter ‚das lass ich lieber‘ abgespeichert habe. Weil mir das gesagt worden ist, dass ich das nicht kann und ich das nirgends auf einer Bühne machen soll“, kommt es leicht nachdenklich von Verena. „Aber Ina Regen hat mir einen Nachmittag lang Gesangsunterricht gegeben und mich im Tonstudio wirklich durchgetragen. Ich habe zur Anfrage von Garish zwar ja gesagt, aber nur unter der Bedingung, auch nach Fertigstellung noch nein sagen zu können. Das war mein Schutz.“ In ihrer herrlichen Offenheit verrät Verena: „Ich hatte ja immer so Angst, den Einsatz oder den Ton nicht zu treffen. Es ist Ina Regen zu verdanken, dass ich mich überhaupt getraut habe, meinen Mund aufzumachen. Auf das Ergebnis bin ich jetzt sehr stolz, es gefällt mir.“

Verena Altenberger hat gemeinsam mit Regisseur und Produzent Arash T. Riahi die Präsidentschaft der Akademie des Österreichischen Films über. (Foto Hedi Grager)
Verena Altenberger hat gemeinsam mit Regisseur und Produzent Arash T. Riahi die Präsidentschaft der Akademie des Österreichischen Films über. (Foto Hedi Grager)

Präsidentin der Filmakademie
Als Präsidentin der Akademie des Österreichischen Films hat Verena schon einiges erreicht. „Natürlich nicht ich als one woman show, ich und mein Co-Präsident Arash T. Riahi haben mit Katharina Albrecht eine phantastische Geschäftsführerin, die wirklich „Oh Oh „She got fire“ hat, dazu den Vorstand und viele tolle Institutionen in Österreich, die vieles für den österreichischen Film bewirken. Und seit 1.1.2023 gibt es Incentives für internationale Produktionen, die in Österreich drehen. Bis letztes Jahr war Österreich auf einer gelb bis dunkelroten Europakarte von Filmfördersystemen ein komplett weißer Fleck. Wir waren wirklich bei Null. And we went from Cero to Hero“, freut sie sich. Die Novellierung der Filmförderung bringt auch eine Neufassung des Filmstandortgesetzes. Das Förderprogramm „FISA+ – Filmstandort Austria“ soll einige bisher bestehende Förderlücken schließen und Serien, TV-Filme und Streaming-Produktionen berücksichtigen. „Unser Fördermodell ist jetzt so gut, dass es in den nächsten Jahren, wenn andere nicht massiv nachziehen, kein besseres europäisches “Film-Land“ als Österreich gibt.“ Freudig erzählt Verena, dass Österreich damit in aller Munde ist. „Egal mit wem ich während der Berlinale gesprochen habe, alle wollen in Österreich drehen. Das bedeutet für den Filmstandort eine totale Aufwertung und man darf nicht vergessen, die Filmbranche in Österreich ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Ein weiteres Beispiel ist der FC Gloria, ein ganz toller feministischer Filmverband. Er hat gemeinsam mit anderen Verbänden durchgesetzt, dass es in Zukunft einen Code of Ethics geben wird. Also in Richtung Präventionsmaßnahmen gegen Missbrauch passiert auf vertraglicher Ebene auch sehr viel. Das ist sehr wichtig, weil wir dann eine arbeitsrechtliche Handhabe haben. Und es laufen ein paar tolle Nachwuchsförderprogramme an, und es werden zwei State of the Art Filmstudios in Österreich gebaut, es ist schon wirklich viel in Bewegung gekommen.“

Verena ist es sehr wichtig, dass Menschen jetzt wieder mehr ins Kino gehen. „Deshalb haben wir eine ganz große Kinotour für unseren Film „Sterne unter der Stadt“ gemacht und waren in vielen kleinen Städte. Ich denke, wenn wir österreichische Filme wollen, ist es die Verantwortung des Publikums, ins Kino zu gehen. Es ist aber auch die Verantwortung von uns FilmemacherInnen zu sagen, wir bieten euch einen Mehrwert, damit ihr wieder ins Kino kommt. Und dieser Mehrwert ist ein Gespräch oder Meet & Greet. Ich finde sogar, dass Kino-Schauen als Teil von Medienkompetenz ins Bildungssystem aufgenommen gehört. Es ist eine andere Kulturform.“ Wir müssen wieder lernen, das Handy mal für zwei Stunden abzuschalten und sich dafür vor einer großen Leinwand einer schönen Geschichte hinzugeben, zusammen mit anderen“, und Verena ist sich sicher, dass viele in 10 Jahren nicht mehr wissen werden, welchen Film sie sich auf ihrem Handy gestreamt haben. „Ich kann mich aber noch ganz genau erinnern, wie ich Titanic das erste Mal im Kino gesehen habe. Denn das war ein Erlebnis“, begeistert sie sich. „Das war ein Tag in meinem Leben, der mir etwas bedeutet, und das kann nur Kino.“

Verena Altenberger ist es sehr wichtig, dass Menschen wieder ins Kino gehen. „Deshalb haben wir eine ganz große Kinotour für unseren Film „Sterne unter der Stadt“ gemacht." (Foto Hedi Grager)
Verena Altenberger ist es sehr wichtig, dass Menschen wieder ins Kino gehen. „Deshalb haben wir eine ganz große Kinotour für unseren Film „Sterne unter der Stadt“ gemacht.“ (Foto Hedi Grager)

Flimmit
Sehr erfolgreich ist sie auch mit ihren Werkstattgesprächen auf der österreichischen Streaming-Plattform Flimmit. „Das war eines meiner ersten Projekte, das ich als Präsidentin gestartet habe. Mittlerweile haben wir schon die zweite Staffel gedreht. Dabei rede ich mit Frauen aus der Filmbranche vor und hinter der Kamera. Das habe ich eigentlich aus einer retrospektiv egoistischen Ebene heraus gemacht. Denn als junges Mädchen, das davon träumte, Schauspielerin zu werden, gab es kaum Informationen darüber, was ich dafür tun muss oder was mich erwartet. Die Gespräche sind alle in einfacher Sprache geführt, sodass sich Mädchen und Frauen jeden Alters angesprochen fühlen, es wird kein Grundwissen vorausgesetzt. Und trotzdem konnte sogar ich noch so viel lernen bei den Gesprächen! Beim Film kann man auch als Quereinsteigerin beginnen und es gibt viele neue Berufe, wie z.B. Intimitätskoordinatoren oder das Thema Green Producing. Und wenn ich mit diesen Gesprächen ein paar motivieren kann, habe ich schon viel erreicht. Das wäre so meine Hoffnung.“

Auf die Frage nach weiteren Projekten reagiert Verena immer extrem vorsichtig, „weil ich immer die Angst habe, dass es doch nicht klappt. Ich werde im Sommer und im Herbst jeweils einen Kinofilm drehen, auf die ich mich wirklich wahnsinnig freue“, kommt es aus tiefster Überzeugung von Verena. „Ein Film ist relativ neu in mein Leben getreten, der andere ist wegen Corona schon länger bei mir und wird jetzt endlich realisiert.“ War 2022 für Verena ein bisschen ein Jahr der Abschiede, eines Cuts, „erfüllt 2023 für mich zwei Funktionen, die ein bisschen gegensätzlich sind und mir ebenso ein bisschen Angst machen“, kommt es so offen wie immer von dieser starken Frau. „Auf der einen Seite ist es der Mut zur Lücke. Ich habe bis jetzt das Glück gehabt, in den letzten Jahren wahnsinnig viel zu arbeiten, und ich habe jetzt wirklich deutlich weniger zugesagt. Ich dachte mir, dass ich dieses Jahr den Mut habe, auch Nichts-Tun, bzw. weniger tun auszuhalten. Wie gesagt, das macht mir ein bisschen Angst, weil ich es gewohnt bin, von einem Projekt ins andere zu hüpfen. Auf der anderen Seite fühlt es sich mit diesen beiden besonderen Kinoprojekten gleichzeitig wie ein nächster Schritt in meiner Karriere an. Und mehr darf und möchte ich noch nicht sagen“, lächelt sie, um doch noch zu ergänzen: „Abgedreht habe ich dieses Jahr einen Kinofilm, auch ein Debutfilm. Ich liebe ja Debutfilme. Er heißt ‚Im Rosengarten‘, wurde im Schwarzwald gedreht und Regisseur war Leis Bagdach. Es ist die bezaubernde Geschichte über einen syrisch-deutschen Rapper, der sich auf die Suche nach seiner Vergangenheit und seiner Zukunft macht, und da habe ich eine Rolle übernommen.“

Kraft und Energie
holt sich die vielbeschäftigte Schauspielerin massiv „beim Treffen mit ihren drei, vier ganz engen Freundinnen. „Sie sind ein sehr wichtiger Halt in meinem Leben und ich habe mit ihnen auch ein Lebensmodell gefunden, das sich neben meinem Beruf ausgeht“, lächelt Verena wieder. „Entweder lade ich sie zu mir ein, wenn ich in anderen Städten drehe, oder ich besuche sie, sobald ich frei habe, oder wir treffen uns in einer dritten Stadt, egal ob Rom, Köln oder Salzburg. Wir haben auch fixe Telefon-Dates, wo wir dann bei einem Spaziergang bis zu zwei Stunden telefonieren. Das ist für mich absolut eine Quelle meiner Ruhe, Freude, Leichtigkeit. Und natürlich Sport. Unsere Kino-Tour ist ziemlich durchgetaktet und zwischendurch gibt es noch den einen oder anderen Drehtag. Als wir mit dem Zug in Graz angekommen sind, musste ich zuerst einmal zum Uhrturm raufjoggen – also dieses Bewegen und die Natur brauche ich.“ Sie verrät mir, dass sie heuer zum zweiten Mal auch den „Cleaning The House“ Workshop von Marina Abramovic machen wird. „Die Methode besteht hauptsächlich aus nichts essen, nichts reden, keine Ablenkung und vielen Übungen, die teilweise weh tun, anstrengend und manchmal nervig sind.“ Ein Satz der Marina Abramovic-Methode lautet: To stay sane. Mit dieser Methode kann man lernen, in körperlich wie auch psychisch stressigen Situationen und Zeiten bei sich zu bleiben, ruhig und gesund zu bleiben. Das kann man lernen und das werde ich heuer nochmals machen.“

Großes Beitragsfoto: Verena Altenberger by Peter Müller 2022.

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