Yury Revich: Denken „out of the box“

Yury Revich gewann den ECHO Klassik Award, den International Classical Music Award, und seine Aufnahme der Doppelkonzerte von Saint-Georges wurde 2021 in den US-Billboard-Klassik-Charts gelistet. (Foto by Mattia Baldi.Der international gefeierter Solo-Violinist und Komponist Yury Revich stammt aus 4 Generationen von Geigern in seiner Familie, ein faszinierender, aber auch ein sehr verantwortungsvoller Weg. Vom 1. – 7. Oktober ist er bei den FESTIVAL NIGHTS WITH YURY REVICH im Heidi Horton Collection Museum in Wien zu hören.

Ich lernte Yury bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes bei der Award-Verleihung des French Riviera FilmFestivals (FRFF) kennen. Zwei Tage später spielte er bei einer Charity, die von Sharon Stone und Leonardo di Caprio moderiert wurde.

Hedi Grager und Yury Revich beim FRFF im Rahmen des Filmfestinal in Cannes 2023. (Foto privat)
Hedi Grager und Yury Revich beim FRFF im Rahmen des Filmfestinal in Cannes 2023. (Foto privat)

Im Alter von 5 Jahren bekam er von seinem Vater eine kleine Geige zum Ausprobieren geschenkt. Es stellte sich rasch heraus, welch gutes Gehör er hatte und wie schnell er Melodien erlernen konnte – sowohl auf dem Klavier als auch auf der Geige. „Wir beschlossen aber, die Geige nicht mit dem Klavier zu ‚betrügen‘“, erzählt er mit einem Schmunzeln, „und wie meine Vorfahren begann ich, professionell Geige zu lernen.“ Er hat aber auch sehr gerne gemalt und getanzt. „Meine Mutter war keine Tiger-Mum, wie man sie in Asien nennt, aber sie hat schon viele tolle Sachen mit mir gemacht.“ Er bestätigt, dass er seit seiner Kindheit täglich einige Stunden Geige übt. „Ich hatte das Glück, dass mein erster Lehrer mein Großvater war, später auch mein Vater, und ich konnte mit vielen tollen Professoren arbeiten. Ich hatte auch das Glück, dass ich mich zu Hause immer sehr gut fokussieren konnte. Wofür andere vier Stunden brauchen, schaffte ich in zwei Stunden. Ich habe also Minimum zwei Stunden am Tag geübt“, kommt es ernsthaft von Yury.

Im Alter von 5 Jahren bekam Yury Revich von seinem Vater eine kleine Geige zum Ausprobieren geschenkt und rasch stellte sich sein sehr gutes Gehör heraus. (Foto Mattia Baldi)
Im Alter von 5 Jahren bekam Yury Revich von seinem Vater eine kleine Geige zum Ausprobieren geschenkt und rasch stellte sich sein sehr gutes Gehör heraus. (Foto Mattia Baldi)

Natürlich sei es ganz normal, dass es auch für ihn Zeiten gibt, in denen er nicht so gerne übt. „Trotzdem muss man üben. Vor allem dann, wenn ein Konzert bevorsteht, man eine Deadline für eine Komposition oder ein neues Stück zu lernen hat. Musik ist kein Sport, soll auch kein Sport sein. Deswegen bin ich auch gegen das Konzept von Musik-Wettbewerben. Die finde ich nicht gut. Aber wie gesagt, es ist normal, dass man dazu nicht immer Lust hat.“

Auf ‚Wunderkind‘ angesprochen meint Yury: „Ich weiß nicht, ob man Wunderkind sagen kann. Wenn man Talent hat, dann ist man vielleicht ein Wunderkind. Aber es gibt viele Kinder, die Talente haben und die sind trotzdem keine Wunderkinder.“ Er fährt fort: „Talent ist wichtig, aber das Problem ist manchmal, dass man vielleicht schon mit fünf Jahren Musik studiert – in Asien oder in Europa beginnt man Musikinstrumente schon mit zwei oder drei Jahren zu lernen. Das ist ganz toll und lustig und wow, aber die Kinder haben meist keine Wahl und so kann es dann im Alter von 15 oder 18 Jahren passieren, dass sie herausfinden, dass es nicht das ist, was sie machen möchten. Und dass sie auch nicht genug Talent haben“, erklärt er sehr ernsthaft. „Man muss Talent haben und sehr fleißig sein, aber es ist immer ein Risiko. Wie auch beim Sport. Man beginnt etwas zu lernen und entdeckt dann, dass es doch nicht das Wahre ist.“

Für Yury Revich ist jeder Veranstaltungsort spannend, ein kleines Festival genauso wichtig wie ein Konzert in der Carnegie Hall. (Foto by Matthieu Colin)
Für Yury Revich ist jeder Veranstaltungsort spannend, ein kleines Festival genauso wichtig wie ein Konzert in der Carnegie Hall. (Foto by Matthieu Colin)

Yury spielte schon beinahe auf der ganzen Welt, eine Wunschdestination hat er nicht. „Jeder Veranstaltungsort ist spannend für mich und mir ist jedes kleine Festival genauso wichtig wie ein Konzert in der Carnegie Hall oder der Scala. Es ist jedes Mal eine schöne Erfahrung mit einem wunderbaren Publikum. Wichtig ist, man muss immer 1200 % geben.“
Die Energie des Publikums spürt der Stargeiger sofort und ist wichtig für ihn. „Was bei Liveperformances sehr wichtig ist, ist Timing. Wie schnell oder langsam man ein Stück spielt, wieviel Zeit man sich nimmt. Dafür sensibel zu sein ist sehr wichtig. Manchmal z.B. nehme ich mir bei einem Stück etwas mehr Zeit, weil das Publikum unglaublich gepackt ist, und bei manchen Stellen kann ich etwas schneller weiterspielen bis zum nächsten Höhepunkt. Das kann man auch nicht zu Hause üben, sondern muss man immer spontan entscheiden.“

Von den vielen interessanten und vielfach prominenten Menschen gibt es einige, die ihn besonders faszinieren, u.a. auch Elon Musk. „Why not? Es ist interessant, wieviel Einfluss solche Menschen haben, wie sie persönlich sind und was sie über Kultur, über Musik denken. Ich habe gehört, dass er sehr gerne Geige mag. Ich verfolge jetzt aber nicht, was genau er alles macht und ich habe schon so viele tolle Menschen kennengelernt aus den verschiedensten Bereichen, Menschen, die gegen Diktatur, gegen Gewalt kämpfen, es ist inspirierend solche Menschen zu treffen.“

FESTIVAL NIGHTS WITH YURY REVICH - concerts of arts - wurden in 2015 als Konzertzyklus "Friday Nights with Yury Revich" von Yury Revich ins Leben gerufen. Im Jahr 2023 wurden die FESTIVAL NIGHTS kreiert. (Foto by Adnan Kaissi)
FESTIVAL NIGHTS WITH YURY REVICH – concerts of arts – wurden in 2015 als Konzertzyklus „Friday Nights with Yury Revich“ von Yury Revich ins Leben gerufen. Im Jahr 2023 wurden die FESTIVAL NIGHTS kreiert. (Foto by Adnan Kaissi)

UNICEF-Ehrenbeauftragter
Sehr wichtig sind dem jungen Stargeiger Themen wie Umwelt und Hilfe für Bedürftige. „Auf diese Themen werde ich ziemlich oft angesprochen und ich finde es wichtig zu helfen. Es braucht einfach Menschlichkeit und jeder kann jemandem helfen. Dabei geht es nicht um Millionen von Euro, jeder Euro hilft, jede Aktion, jeder Post, jede Insta-Story, jede awareness campaign hilft. Wir haben beispielsweise eine große Awareness Kampagne für Autismus gemacht, die auch versicherungsmäßig großes bewirkt hat“, erzählt Yury stolz. „Wenn man kreativ ist, kann man vieles ohne Budget machen. Und wirklich Jeder kann etwas machen, kann Gutes tun.“

Der UNICEF-Ehrenbeauftragte findet es wirklich toll, „was sie machen, sie brauchen aber auch Unterstützung und deshalb engagiere ich mich seit Jahren dafür. Ich teile ihre Aktivitäten auf social media, organisiere z.B. die Climate Gala. Sie sind für mich authentisch und das mag ich.“ Er weiß, wie wichtig es für Menschen ist zu wissen, dass sie nicht alleine sind. „Für mich ist es ganz normal, anderen zu helfen. Es ist kein großes Thema. Schon ein Euro macht einen Unterschied. Aber ich helfe auch vielen kleineren Foundations, indem ich für sie spiele und dadurch helfe.“

Auch beim Thema Nachhaltigkeit und Umwelt versucht er Vorbild zu sein und reist, wo immer es möglich ist, mit dem Zug. Er ist sich aber auch bewusst, dass Zugtickets günstiger angeboten gehören. „Viele junge Menschen, die reisen möchten, werden natürlich die ‚Low Cost Airline‘ nehmen, wenn der Zug um soviel teurer ist. Ich selbst reise soviel wie möglich mit dem Zug, aber oftmals buchen die Veranstalter einen Flug für mich, weil der wesentlich günstiger ist. So kann ich das nicht immer selbst entscheiden.“

Yury Revich spielt gerne die Meisterwerke genialer Komponisten, möchte sich als Künstler und Musiker auch durch seine eigene musikalische Sprache ausdrücken. (Foto by Adnan Kaissi)
Yury Revich spielt gerne die Meisterwerke genialer Komponisten, möchte sich als Künstler und Musiker auch durch seine eigene musikalische Sprache ausdrücken. (Foto by Adnan Kaissi)

„out of the box“-Denken und Eigenkompositionen 
Yury spielt gerne die Meisterwerke genialer Komponisten, möchte sich als Künstler und Musiker auch durch seine eigene musikalische Sprache ausdrücken. Deshalb hat er mit Eigenkompositionen begonnen, und das sehr erfolgreich. „Ich habe immer schon ein bisschen komponiert, aber erst jetzt habe ich begonnen, es richtig umzusetzen. Ich bin ganz glücklich, dass ich so viele Möglichkeiten habe, meine Musik zu spielen und dass die Menschen sie auch hören wollen.“ Die Zeit der Pandemie war für ihn als Kreativen sehr gut, meint er. „Ich habe mir ein komplettes Homestudio angeschafft und gelernt, mit der Software umzugehen. So richtig losgelegt habe ich erst seit zweieinhalb Jahren.“

Dem Künstler, der sich selbst als kreativ, offen und multidiszipliniert bezeichnet, ist es wichtig, „out of the box“ zu denken. Ärgerlich können ihn Fake-Sachen machen. Down to earth halten ihn seine Familie und ein toller Freundeskreis, beides ist ihm sehr wichtig. „Ich brauche immer Feedback für meine Arbeit. Auch wenn manchen ein Stück von mir nicht gefällt, möchte ich das ehrlich wissen. Natürlich ist Musik auch Geschmacksache, aber ein ehrliches Feedback ist mir viel wichtiger als ein Fake-Kompliment.“

Yury wirkt in seiner ganzen Art sehr ausgeglichen. „Ich arbeite 24/7. Ich habe jede einzelne Minute so viele Gedanken in mir. Ich meditiere ab und zu, deswegen strahle ich eine gewisse Ruhe aus. Trotzdem bin ich sehr kreativ und aktiv. Seit letztem Oktober habe ich in meinem Leben sehr viel verändert“, verrät er. „Ich nehme mir mehr Zeit zum Denken, mehr Zeit auch für mich. Ich brauche zum Komponieren wirklich viel Ruhe und Konzentration.“

In einem Interview nach Ratschlägen befragt meinte der Stargeiger, dass man an sich selbst glauben muss, es in Ordnung ist zu scheitern, nur tun soll, was man wirklich mag und dass man Prioritäten setzen muss. Auf meine Frage, ob er das alles auch selbst für sich umsetzen kann, meint er lächelnd: „Man gibt immer gute Ratschläge, schafft es aber selbst nicht immer. Prioritäten sind sehr wichtig, da muss ich auch bei mir selbst noch etwas verbessern. Wie gesagt, ich habe jede Minute Ideen für Konzerte und anderes, da muss ich darauf achten, was Priorität hat. Ich versuche es zu schaffen. Was ich aber schon seit mehreren Jahren schaffe ist, Projekte zu machen, die mir Freude bereiten wie mein Festivals, Musik zu komponieren, out of the box-Denken, Neues zu kreieren und nicht schüchtern mit meiner Meinung zu sein.“

Großartige Projekte
Der Künstler organisiert seit mehreren Jahren sein Projekt FRIDAY NIGHTS und freut sich u.a. schon sehr auf die FESTIVAL NIGHTS WITH YURY REVICH im Oktober in Wien, an denen viele namhafte Künstler teilnehmen. Diese Veranstaltungen finden im Heidi Horten Collection Museum in Wien statt. „Das letzte Konzert des Festivals wird UNICEF Österreich gewidmet sein, wo wir Spenden für Kinder sammeln werden. Als Ehrenbeauftragter von UNICEF Österreich ist es meine Mission, mein Möglichstes zu tun, um Kindern in Not zu helfen.“

Der vielseitige Künstler entwickelt auch ein neues Konzept für die Art Basel in Paris. „Es wird ein interdisziplinäres Konzert sein, wo wir mit Livekunst, Performances, Tanz und Musik arbeiten.“ Es folgt ein erster Auftritt in China mit der weltbekannten Pianistin Martha Argerich sowie eine Lateinamerika Tournee. „In Deutschland habe ich ein neues Konzept für den Symphoniekonzertsaal erarbeitet und bereite mich auf eine zweite Tournee in Japan vor.“

„Ehrliches Feedback ist mir viel wichtiger als ein Fake-Kompliment“

Natürlich ist jedes neue Projekt auch mit Risiken verbunden. „Aber ich habe mich vor Jahren entschieden, nicht lebenslang ein konservativer Geiger zu sein für ein ganz privilegiertes Publikum. Ich möchte für Alle spielen. Musik ist für mich eine Sprache, die jeden und alle Altersgruppen ansprechen soll. Deswegen habe ich entschieden, meine eigene Musik zu komponieren und, ich wiederhole mich, out of the box zu denken.“ Für ihn ist es undenkbar, immer für dieselben Menschen dieselbe Musik zu spielen.

Sein Interesse an interdisziplinären und genreübergreifenden Kooperationen erstreckt sich auf zeitgenössische Kunst, Tanz, Literatur und verschiedene Musikgenres. So arbeitete er z.B. schon mit Ute Lemper, Sunnyi Melles, Cornelius Obonya, Christiane Hörbiger, Ramon Vargas, Constantin Luser, Pixie Lott und Gérard Depardieu zusammen. „Ich mache Musik und Art“, fügt er noch lächelnd dazu. Geige zu spielen ist physisch anstrengend. „Es ist das unnatürlichste Instrument, das es gibt, man spielt es wie ein Fragezeichen. Aber Musik, Kunst, Art darf kein Sport sein. Sport ist Sport, Musik ist Musik. Beides sind schöne, aber unterschiedliche Sachen.“

Yury ist überzeugt: „Wenn man ein Talent hat, diesen Drive hat, muss man dafür kämpfen. Es werden immer Fehler kommen, aber man muss sich auf den Erfolg fokussieren. Erfolg gibt mir auch Energie, weiterzumachen. Vor allem als ein Künstler, der wie ich sehr perfektionistisch und sehr sensibel ist, muss man stark sein und an sich glauben. Never give up!“

Großes Beitragsfoto: Das Interesse von Yury Revich an interdisziplinären und genreübergreifenden Kooperationen erstreckt sich auf zeitgenössische Kunst, Tanz, Literatur und verschiedene Musikgenres. Er arbeitete mit Ute Lemper, Sunnyi Melles, Cornelius Obonya, Christiane Hörbiger, Ramon Vargas, Constantin Luser, Pixie Lott, Arotin und Sergey, Gabriel Prokofiev und Gérard Depardieu zusammen.  (Foto by Matthieu Colin) 

www.fnights.com   
www.yuryrevich.com    

 

 

 

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