Patricia Aulitzky: „Brauche künstlerische Herausforderungen“

Patricia Aulitzky. (Foto Teresa Marenzi)Die erfolgreiche Schauspielerin Patricia Aulitzky mag Herausforderungen und Themen, bei denen es um was geht. Im Herbst probte sie für Heimrad Bäckers Nachschrift, eine der radikalsten Auseinandersetzungen mit dem Holocaust in der Literatur. Premiere war im November im Wiener Theater Nestroyhof Hamakom.

Patricia Aulitzky mag Herausforderungen und Themen, bei denen es um was geht. (Foto by Max Sonnenschein)
Patricia Aulitzky mag Herausforderungen und Themen, bei denen es um was geht. (Foto by Max Sonnenschein)

Herausfordernde und schwierige Themen umzusetzen liebt die Schauspielerin Patricia Aulitzky. Kurz vor unserem Treffen kam sie vom Filmfestival Ludwigshafen, wo ihr Film „Wir haben einen Deal“ beim 19. Festival des deutschen Films in Ludwigshafen am Rhein den Rheingold Publikumspreis gewann. „Wir haben einen Deal“ beinhaltet kein leichtes Thema, denn es geht um Kindesmissbrauch im Sport. „Es war ein extrem schönes Festival, da wir mit auch dem Publikum in Berührung kamen und tolle Gespräche mit denen führen konnten, die sich diesen Film angesehen haben. Es war sehr interessant zu hören, wie es ihnen nach dem Film ging, was sie bewegte und auch über Täter, Opfer, Präventivmaßnahmen usw. zu diskutieren. Solche direkten Gespräche bei einem Filmfest kannte ich noch nicht.“ 

Gleich nach diesem herrlichen Sommer-Event ging es für die Schauspielerin dann direkt in den Keller des Theaters zu den Proben zu Heimrad Bäckers Nachschrift. „Von der einen Welt in eine gänzlich andere abzutauchen ist natürlich sehr fordernd, aber das, was ich liebe. Denn die Nachschrift ist eine der bedeutendsten literarischen Auseinandersetzung mit der Sprache der Nazis, mit Dokumentationstexten aus dieser Zeit. Gemeinsam mit dem Regisseur und der Pianistin entwickeln wir eine performative Sprachoper. Ein großes Experiment.“ 

Patricia Aulitzky im mehrfach ausgezeichneten Film "Wir haben einen Deal". (Foto ZDF)
Patricia Aulitzky im mehrfach ausgezeichneten Film „Wir haben einen Deal“. (Foto ZDF)

Die vielseitige Schauspielerin erzählt begeistert weiter: „Beim Festival kamen beispielsweise Fragen zur Sprache, ob so ein Thema wie in „Wir haben einen Deal“  Saison hat und ob es gerade „in“ wäre. Ich finde für Holocaust und Missbrauch gibt es keine Saison und mich interessieren Themen, auf die immer wieder aufmerksam gemacht werden sollte, wo man sagen kann, schaut hin! Missbrauch z.B. passiert gerade bei Kindern zumeist nahe der Familie. Dabei wird falsches Vertrauen geschaffen, Macht missbraucht und den Kindern bleibt die Frage von Schuld und Scham und wie sie das verarbeiten sollen. Ich weiß nicht, warum das Thema mich gefunden hat oder ich das Thema, aber beide Themen haben mich irgendwie reifer gemacht “, ergänzt Patricia nachdenklich. Auch wenn manche vor allem beim Thema Holocaust meinen „nicht schon wieder“ oder „wir sind ja nicht schuld daran“ findet die Schauspielerin: „Es geht nicht darum, Schuldige zu zeigen; obwohl ich soviel darüber weiß, habe ich das Gefühl, ich bin noch nicht tief genug in dieses Thema abgetaucht.“

Nach Proben oder Drehs rasch abschalten zu können, „ist natürlich abhängig vom Thema, wie schnell es mich loslässt oder nicht. Ich habe früher immer gedacht, das macht mir gar nichts, aber das nicht stimmt. Natürlich geht es zu Hause, wenn mir mein Sohn die Tür aufmacht schneller. Denn ihm ist es egal, woher ich komme oder wen ich gerade gespielt habe, der will seine Mami“, schmunzelt Patricia. „Ich bin der Ansicht, dass man auch vor Kindern nicht so tun muss, als würde man immer gleich funktionieren. Wir sind Menschen und ich habe einen Beruf, der mich bewegt, der mit Gefühlen und Leidenschaft zu tun hat.“ Allerdings nahm sie sich nach den Proben zum Thema Holocaust die Zeit nicht gleich nach Hause zu gehen, sondern im Theater in Ruhe zu recherchieren, sich vorzubereiten und auch runterzukommen. „Wenn ich abends nach Hause komme, verbringe ich die Zeit mit meinem Kleinen und lege ihn schlafen. Allerdings bin ich ehrlich gesagt oft schon so müde, dass ich mit ihm einschlafe“, lacht sie ihr herrlich tiefes Lachen.

Nach Proben oder Drehs rasch abschalten zu können, „ist natürlich abhängig vom Thema, wie schnell es mich loslässt oder nicht", verrät Patricia Aulitzky. (Foto Christoph Bieber)
Nach Proben oder Drehs rasch abschalten zu können, „ist natürlich abhängig vom Thema, wie schnell es mich loslässt oder nicht“, verrät Patricia Aulitzky. (Foto Christoph Bieber)

Patricia ist nicht nur eine gefragte Schauspielerin, sie ist auch eine begnadete Sängerin. „Zwischendurch hatte ich einen Auftritt mit der Backstageband im Cinema Paradiso in St. Pölten. Das ist zwischen Theaterabenden sehr schön, weil mich das wieder in eine andere Sphäre bringt“, denn Musik ist ein wichtiger Teil im Leben von Patricia. „Mein eigenes Musikprojekt ist elektronisch auch wenn ich selbst bin technisch extrem unbegabt“, kommt es sehr offen von ihr. „Es geht zwar weiter, aber nicht so schnell wie ich gerne möchte“, lacht sie wieder.

Das Jahr 2023 bezeichnet sie eher als ihr Theaterjahr. „Ich habe in Salzburg die Rolle der Constantia in Nestroys „Der Talisman“ gespielt . Das hat mir total viel Spaß gemacht und ich finde es super, wieder einmal auf der Bühne zu stehen. Ich mag die Mischung aus Bühne und Film, sie ist extrem bereichernd, abwechslungsreich und inspirierend. Ich kann wirklich sagen, ich bin sehr glücklich im Moment. Aber natürlich kann immer noch mehr gedreht werden“, lacht sie. Rollen für Schauspielerinnen ab 40 gibt es mittlerweile zwar mehr, aber augenscheinlich noch immer zu wenige. „Es bessert sich, ja, und es wird mehr darüber gesprochen, aber halt oft auch nur gesprochen. Die Zahlen zwischen beschäftigen Schauspielern und Schauspielerinnen ab einem gewissen Alter sind noch immer im krassen Ungleichgewicht. Auf jeden Fall arbeiten jetzt aber mehr Frauen hinter der Kamera, ob als Drehbuchautorinnen, als Regisseurinnen oder auch Produzentinnen. Aber trotzdem geht es halt nur in Zwergenschritten voran.“ 

Patricia Aulitzky bezeichnet das Jahr 2023 eher als ihr Theaterjahr. „Ich habe in Salzburg die Rolle der Constantia in Nestroys "Der Talisman" gespielt. Das hat mir total viel Spaß gemacht. (Foto Max Sonnenschein)
Patricia Aulitzky bezeichnet das Jahr 2023 eher als ihr Theaterjahr. „Ich habe in Salzburg die Rolle der Constantia in Nestroys „Der Talisman“ gespielt. Das hat mir total viel Spaß gemacht. (Foto Max Sonnenschein)

Natürlich ist KI auch in der Schauspielwelt ein Thema. „Wir sind vielleicht ein bisschen hinten nach, aber das Problem existiert, und wir müssen uns viel mehr um entsprechende Regelungen kümmern. Ich kenne einen Kollegen, der seine Stimme für eine berühmte Figur hergegeben hat und dem man dann sagte, dass sie ihn für die nächsten Folgen nicht mehr benötigen, da seine Stimme mit KI weiter eingesetzt wird. Für Rechte an der eigenen Stimme, bzw auch Körper und Gesicht im Film, aber auch im Synchron etc müssen Gesetze geschaffen werden“, meint Patricia nachdrücklich. „Es kann nicht sein, dass man in Zukunft einen Menschen nur mehr abmisst und danach kann man gewissermaßen machen, was man will. Wir müssen aufpassen, dass wir offen sind für Neues, aber uns nicht alle selbst dabei abschaffen.“

Patricia erinnert sich an den Ausspruch eines Kreativdirektors, der sagte ‚Das sind die Titanen die kommen, die schon da sind. But you have to know how to ride the Titans‘. „Wir leben in einer Welt, die sich sehr schnell verändert, und man muss lernen, wie man in Zukunft mitmachen kann – was muss ich lernen und welcher Weg ist meiner? Es wird in den nächsten Jahren wahrscheinlich einige Berufe nicht mehr geben. Das ist einerseits schrecklich, aber irgendwie auch eine Chance auf Neues“, ist sie sich sicher.

In einer Kooperation des Theater Nestroyhof Hamakom mit Flying Opera wurde Heimrad Bäckers Nachschrift aufgeführt, eine der radikalsten Auseinandersetzungen mit dem Holocaust in der Literatur. (Foto Hilde van Mas)
In einer Kooperation des Theater Nestroyhof Hamakom mit Flying Opera wurde Heimrad Bäckers Nachschrift aufgeführt, eine der radikalsten Auseinandersetzungen mit dem Holocaust in der Literatur. (Foto Hilde van Mas)

Auf meine Frage, ob sie sich auch Arbeiten hinter der Kamera oder Schreiben vorstellen kann, schmunzelt sie und verrät mir dann etwas zögernd, dass sie mit ein paar Freundinnen schon am Schreiben ist. „Ich glaube, es ist für Schauspielerinnen wichtig genauer zu hinterfragen und zu erforschen, welche Rollen und welche Geschichten einen interessieren. Vielleicht muss man da selber einfach ein bisschen aktiver werden. Du kennst mich schon ein bisschen, zu Hause sitzen und warten, ob mich irgendwer engagiert, das gehört nicht zu meine Tugenden“, kommt es humorvoll.

Für Patricia selbst wartet heuer auf alle Fälle ein weiterer Tiroler Landkrimi. „Es kommen voraussichtlich auch noch zwei sehr schöne Projekte, aber wie so oft kann ich aktuell nicht mehr darüber sagen. 

Traumrolle? „Ich wünsche mir vor allem ein gutes Drehbuch mit einer vielschichtigen, herausfordernden Rolle, einen tollen Regisseurs und ausreichend Zeit, um mich in einem vertrauensvollen Rahmen auszuprobieren – das ist der größte Luxus.“

Großes Beitragsfoto: Patricia Aulitzky. (Foto Teresa Marenzi)

 

 

 

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