Als ich im Herbst vorigen Jahres Mag. Michael Friedl, unseren österreichischen Wirtschaftsdelegierten in New York besuchte, war er gerade ein Jahr in dieser interessanten und pulsierenden Stadt. 1971 in Wien geboren, studierte er Handelswissenschaften in Wien und Internationale Politik in Washington. Er war schon ein wenig ‚amerikaerfahren‘, war er doch vor 10 Jahren drei Jahre lang in Washington tätig, damals bereits in enger Zusammenarbeit mit New York.
Es hat gerade noch geklappt mit unserem Treffen, da Michael Friedl schon fast wieder am Abflug zu einer großen Konferenz ist. „Einmal im Jahr ist das eine der größten Veranstaltungen für die österreichischen Niederlassungsleiter“, erklärt er mir, „und jedes Mal an einem anderen Ort, diesmal in Chicago. An dieser Konferenz nehmen alle Wirtschaftsdelegierten und Interessierte aus 50 Bundesstaaten teil. Partner ist diesmal die Federal Reserve Bank.“ Dabei geht es darum, sich kennen zu lernen und auszutauschen, es wird über die Wirtschaftsentwicklung, Zinsentwicklung, über politische Aussichten, Compliance Themen usw. gesprochen.
Michael Friedls Karriere begann in Johannesburg, es folgten Abu Dabi, Washington Teheran, Wien und jetzt New York. Auf meine Frage, ob New York eine Wunschdestination für ihn war, meint der sympathische Wiener: „Ja. New York hat immer viele Bewerbungen, aber viele kennen diese Metropole nur vom Urlaub. Ich kannte die guten und die schlechten Seiten dieser Stadt zum Leben und zum Arbeiten – und habe mich trotzdem beworben“, schmunzelt er.
Zu den guten Seiten zählen für ihn der Unternehmergeist, der hier herrscht, und eine relative Offenheit. „Sobald ein persönlicher Bezug hergestellt ist, sind die New Yorker freundlich.“ Auch im Businessbereich gibt es kein neidvolles Wettbewerbsdenken, Erfolgsrezepte werden gerne weitergegeben. „Man freut sich, wenn man Teil des Erfolges sein kann. Das ist meine Erfahrung“, höre ich von Michael Friedl. Zu den schlechten Seiten zählt er überraschenderweise die Bürokratie.
In New York zu Hause
Michael Friedl fühlt sich wohl in New York. „Ganz ehrlich, es dauert eine Zeitlang, bis man sich zu Hause fühlt, und man muss seinen eigenen Weg finden, um dieses Gefühl zu bekommen. New York ist eine Stadt, die die jeweilige Gefühlslage noch verstärkt, in der man sich befindet. Geht es einem gut, fühlt man sich noch besser. Geht es einem schlecht, wird man tief betrübt“, lächelt er und fügt noch hinzu: „Ich bin gut drauf, Gott sei Dank. Die Stadt spielt mit einem und man muss mitspielen.“
Aufgaben als Wirtschaftsdelegierter
„Es gehört zu meinen wichtigsten Tätigkeiten, österreichischen Firmen zu helfen und zu coachen, damit sie den Markt verstehen. Es kommen viele Firmen her und glauben, dass sie den US-Markt kennen. Das kann bei 50 unterschiedlichen Bundesstaaten mit verschiedenen Kulturen und Märkten nicht der Fall sein.“ Michael Friedl kommt etwas ins Schwärmen, als er von New York als einem Innovationscenter spricht. „Oft macht man sich hier zum ersten Mal Gedanken über Entwicklungen, lange bevor diese woanders passieren. Deshalb organisieren wir Zukunftsreisen, damit auch österreichische Firmen wissen, was in den nächsten Jahren nach Europa kommen könnte. Wir werden vielleicht einmal keine Banken mehr brauchen, aber Banking wird immer ein Thema sein.“ Es macht im sichtlich Spaß, hier in New York beim Entstehen von Trends und neuen Entwicklungen dabei zu sein.
Dazu gehört auch der Start up-Bereich, der in den letzten 5 bis 6 Jahren wie in vielen Ländern auch in Österreich immer wichtiger geworden ist. „Silicon Valley kennt jeder, aber kaum jemand weiß, dass New York inzwischen zur schnellst wachsenden IT- und High-Tech-Metropole geworden und bereits die Nummer 2 der Start-up-Zentren. Dazu kommt Mentoring. Unternehmer, die selbst ein Start up gegründet haben und erfolgreich geworden sind, machen Mentoring für neue Start ups. Sie investieren, machen Coachings und geben ihre Erfahrungen weiter.“
Michael Friedl erzählt begeistert weiter, dass es in den USA die besten Unis und eine intensive Zusammenarbeit zwischen Firmen und Unis gibt. Die meisten Patente und die neuesten Entwicklungen im medizinisch-technischen Bereich kommen aus den USA. „Aber bei den hidden champions haben wir in Österreich 160 Welt- oder Europamarktführer, meist in Nischenbereichen. Das ist für das kleine Österreich schon sehr viel. Wir brauchen uns nicht verstecken, aber es muss uns bewusst bleiben, dass ohne die USA wirtschaftlich, technologisch, politisch oder militärisch wenig läuft. Für uns Österreicher sind die USA zum zweitwichtigsten Markt geworden und es gibt bereits 650 Niederlassungen, davon sind etwa 1/3 produzierende Betriebe und einige wenige nur Verkaufsbüros.“
Michael Friedl privat
Michael Friedl ist seit 5 Jahren verheiratet. „Ich bin mit einer in Indien geborenen und in verschiedenen Ländern aufgewachsenen Algerierin verheiratet“, schmunzelt er. Zu Hause wird Englisch und Französisch gesprochen. „In den letzten 6 Jahren hat meine Frau Amel in vier Ländern gelebt und ich in drei. Jetzt sind wir das erste Mal länger gemeinsam in einem Land. Für diesen Beruf muss man sehr beweglich sein und auch bereit, einiges aufzugeben.“
Sportlicher Ausgleich zur Arbeit ist Michael Friedl sehr wichtig: laufen, schwimmen, Radfahren, Mountainbiken, Skifahren. Auch als Architektur-Interessierter ist er in New York genau richtig und er schätzt es, dass man innerhalb einer Stunde in fast jeder Richtung etwas Schönes machen kann: wandern, am Strand spazieren gehen oder einen Stadtteil besichtigen.
Auf meine Frage, wie Michael Friedl privat sei meint er: „Hm, eine gute Frage, auf die ich mich überhaupt nicht vorbereitet habe. Die Beantwortung fällt mir gar nicht so leicht, da ich beruflich und privat trenne. Ich bin sehr interessiert an dem Land, in dem ich gerade bin. Versuche die schönen Dinge besonders zu genießen, die man erlebt.“ Sie sind ein sehr positiver Mensch, ist ihr Glas immer halbvoll? Er lacht: „Im Glas ist was drin und das ist super.“
Michael Friedl outet sich noch als musikinteressiert und großer Jazzfan. „Ich bin quasi mit Jazz aufgewachsen und New York ist eine gute Stadt für Jazzmusiker“. Er spielt kein Instrument, aber er singt, wenn auch nicht professionell. „Ich habe mal in einer Band gesungen und auf einer Straße in London getrommelt. Das war lustig. Als ich 1991 ein Traineeship bei der Raiffeisenbank RZB in ihrem Londoner Büro gemacht habe, habe ich außer Erfahrungen damals nichts verdient. So bin ich abends herumgezogen, habe Bongos gespielt und meine Freundin hat dazu getanzt. Diese Ader spüre ich noch ein bisschen, kann sie aber nicht ausleben“, ergänzt er etwas wehmütig.
Zukunftspläne
„Ich bin niemand, der ganz langfristig plant. Mich würde aber eine Region interessieren, die ich noch kaum kenne. Asien wäre da sicher interessant. Ich mache seit 16 Jahren den Job, vielleicht möchte ich irgendwann auch nach Europa zurück. Und da wären meine Frau und ich uns auch einig, dass Wien die beste Wahl wäre. Es ist vielleicht ein bisschen weniger inspirierend als andere Städte, aber mit der hohen Lebensqualität, der Multinationalität, den vielen Jobmöglichkeiten und Lernmöglichkeiten eine tolle Mischung. Ich komme aber beruflich sowieso immer wieder nach Hause. Auch die Südsteiermark liebe ich sehr, Tscheppe, Polz, Wohlmuth …“
Bevor sich Michael Friedl von mir verabschiedet, um sich noch auf die Konferenz in Chicago vorzubereiten, bekomme ich noch einen Folder mit besonderen New York-Tipps, die er und seine Mitarbeiter selbst gesammelt haben.
Großes Beitragsbild: Michael Friedl (Foto David Plakke)