Diagonale: Franz-Grabner-Preis 2022

Diagonale 2022 - Verleihung des Franz-Grabner-Preises. (Foto Diagonale / Sebastian Reiser)Im Rahmen der 25. Diagonale in Graz wurde der mit je € 5.000 dotierte Franz-Grabner-Preis in den Kategorien Kinodokumentarfilm und Fernsehdokumentarfilm verliehen. Der Preis wird von Familie Grabner, AAFP, ORF und der Diagonale im Andenken an den ORF-Journalisten Franz Grabner (1955–2015) organisiert. Prämiert wird ein im ethischen und moralischen Sinne verantwortungsvoller und glaubwürdiger Umgang der Filmschaffenden mit ihrem Medium. Das Preisgeld – gestiftet von AAFP und ORF – ist für die Entwicklung des Folgeprojektes der Preisträger*innen bestimmt.

Als bester Kinodokumentarfilm setzte sich Weiyena – Ein Heimatfilm von Weina Zhao und Judith Benedikt (AT 2020) durch. 

Die Regisseurinnen Weina Zhao und Judith Benedikt erhielten im Rahmen der Diagonale 2022 den Franz-Grabner-Preis. (Foto Diagonale / Sebastian Reiser)
Die Regisseurinnen Weina Zhao und Judith Benedikt erhielten im Rahmen der Diagonale 2022 den Franz-Grabner-Preis. (Foto Diagonale / Sebastian Reiser)

„Zuhören und sehen – was gesagt wird und was ungesagt bleibt. Ein verletzliches Unterfangen im Erinnern und Befragen der eigenen Familiengeschichte. Ein intimes transgenerationales Porträt: mit Blick auf Migrationsgeschichte, auf Lebensrealitäten in China, während und nach der Diktatur. Auf Gräben, Brüche und Widersprüche im Erzählen von Geschichte. Getragen von sensibler und schöner Kameraarbeit entsteht ein liebevoller Blick auf ein Netz an Personen, auf Fragmente ihrer Leben und die Verbindungslinien, die die Filmemacher*innen zu einer dichten Textur zusammenweben. Das Filmemachen erlaubt Weina Zhao einen Rollen- und Perspektivwechsel und ermöglicht somit ein Erforschen und Begreifen der Dinge unter den Oberflächen. Es gelingt ein feinsinniger Film, getragen von einem persönlichen Ansatz. Ein Film, der sich nicht scheut, seine dokumentarische Methode offenzulegen.“ Mit diesen Worten begründete die internationale Jury ihre Entscheidung.

Ebenfalls nominiert waren WOOD – Der geraubte Wald von Ebba Sinzinger, Michaela Kirst und Monica Lăzurean-Gorgan (AT/DE/RO 2020) und Marko Feingold – Ein jüdisches Leben von Christian Krönes, Florian Weigensamer, Christian Kermer und Roland Schrotthofer (AT 2021).

Preisträger in der Kategorie Fernsehdokumentarfilm ist Erich Fried – Dichter im Porzellanladen von Danielle Proskar (AT 2021).

Den Franz-Grabner-Preis in der Kategorie Fernsehdokumentarfilm erhielt Danielle Proskar für Erich Fried – Dichter im Porzellanladen (AT 2021). (Foto Diagonale / Sebastian Reiser)
Den Franz-Grabner-Preis in der Kategorie Fernsehdokumentarfilm erhielt Danielle Proskar für Erich Fried – Dichter im Porzellanladen (AT 2021). (Foto Diagonale / Sebastian Reiser)

„Der gebürtige Wiener Jude Erich Fried (1921–1988) war ab den 1960er- und bis zu den 1980er-Jahren eine Art Popstar der politischen Linken und nicht zuletzt auch Bestsellerautor. Seine Lyriklesungen glichen Kundgebungen, seine Kundgebungen seiner Lyrik. Die Dokumentation von Danielle Proskar erweckt dieses Urgestein des politischen Diskurses wieder zum Leben. In einer klug montierten Collage spürt sie den divergierenden Lebenslinien des Exilanten nach, dessen Vater von den Nazis ermordet worden war. Sie ordnet ein, vermeidet aber platte Zuordnungen. Sie gibt dem Sprachgewaltigen Raum, aber auch seinen Nächsten und Getreuen. Sie zeigt einen Streitlustigen, der immer wieder ins Risiko geht. Der um die eigenen Widersprüche weiß und immer auch die Gegenseite hört. Und so entdeckt sie Erich Fried für uns neu, als einen Urvater des politischen Aktivismus.“ Das konstatierte die Jury in ihrer Begründung.

"Erich Fried - Dichter im Porzellanladen". Zum 100. Geburtstag von Erich Fried gestaltet Regisseurin Danielle Proskar einen Film über den streitbaren Dichter, der in seiner ganzen Ambivalenz unvergesslich bleiben wird. Im Bild: Erich Fried. (Foto: ORF/Catherine Fried-Boswell)
„Erich Fried – Dichter im Porzellanladen“. Zum 100. Geburtstag von Erich Fried gestaltet Regisseurin Danielle Proskar einen Film über den streitbaren Dichter, der in seiner ganzen Ambivalenz unvergesslich bleiben wird. Im Bild: Erich Fried. (Foto: ORF/Catherine Fried-Boswell)

Weiters nominiert waren Aller Anfang – Der Weg der Hebammen von Karin Berghammer (AT 2020) sowie Ischgl im Ausnahmezustand (AT 2020) und Das große Schweigen (AT 2020) von Ed Moschitz.

Die Festrede anlässlich der Preisverleihung im Hotel Wiesler, Salon Frühling hielt Dennis Vetter (Filmkritiker, Künstlerische Co-Leitung „Woche der Kritik“, DE).

Die Festrede anlässlich der Preisverleihung des Franz-Grabner-Preises im Rahmen der Diagonale im Hotel Wiesler hielt Filmkritiker und Kurator Dennis Vetter. (Foto Diagonale / Sebastian Reiser)
Die Festrede anlässlich der Preisverleihung des Franz-Grabner-Preises im Rahmen der Diagonale im Hotel Wiesler hielt Filmkritiker und Kurator Dennis Vetter. (Foto Diagonale / Sebastian Reiser)

„Vor mittlerweile sechs Jahren wurde der Franz-Grabner-Preis initiiert, um im Andenken an den Namensgeber den Stellenwert des österreichischen Kino- und  Fernsehdokumentarfilms zu stärken. Franz Grabner trat zeitlebens für Qualitätsjournalismus und einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein, der politisch unabhängig arbeiten kann und künstlerischen Visionen, auch Experimenten den nötigen Raum einräumt. Ein Anspruch, der gerade in Zeiten von Kriegspropaganda, Fake News und der ungefilterten Ventilation von Verschwörungstheorien mit aller Deutlichkeit betont werden soll“, so die Diagonale-Intendanten Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber.

Franz Grabner trat zeitlebens für Qualitätsjournalismus und einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein, der politisch unabhängig arbeiten kann und künstlerischen Visionen, auch Experimenten den nötigen Raum einräumt", so Sebastian Höglinger. (Foto Diagonale / Sebastian Reiser)
Franz Grabner trat zeitlebens für Qualitätsjournalismus und einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein, der politisch unabhängig arbeiten kann und künstlerischen Visionen, auch Experimenten den nötigen Raum einräumt“, so Sebastian Höglinger. (Foto Diagonale / Sebastian Reiser)

„Der im Andenken an unseren verstorbenen Kollegen Franz Grabner gestiftete Preis ist uns und der gesamten Branche Auftrag und Verpflichtung, sein Vermächtnis hochzuhalten und zu pflegen: sein Engagement für das österreichische Filmschaffen, seine humanitäre Weltanschauung und sein Mut, neue Wege des Erzählens zu finden und zu fördern. Alle Produktionen, die dieses Jahr nominiert waren, lösen diesen Anspruch ein. Sie haben eine kulturell-gesellschaftliche Aussage und behandeln brisante Themen mit einer klaren Handschrift. Besonders freue ich mich über die Auszeichnung für Erich Fried – Dichter im Porzellanladen, eine Produktion, die die Kulturabteilung des ORF-Fernsehens mit ORF/3sat und der epo-film koproduziert hat. Regisseurin Danielle Proskar hat einmal mehr bewiesen, dass sie literarische Inhalte auf zauberhafte Weise erzählen kann, ihre TV-Filme aber trotz ihrer Zugänglichkeit nie an Tiefe verlieren. Erich Fried hat sein Leben lang gegen den Krieg angeschrieben, selbst in Zeiten, als sein radikaler Pazifismus für viele unbequem schien. Umso aktueller scheint sein Porträt in der heutigen Zeit“, betont die Ressortleiterin der ORF-TV-Kulturdokumentationen Sharon Nuni.

Vor sechs Jahren wurde der Franz-Grabner-Preis initiiert, um im Andenken an den Namensgeber den Stellenwert des österreichischen Kino- und Fernsehdokumentarfilms zu stärken. (Foto Diagonale / Sebastian-Reiser)
Vor sechs Jahren wurde der Franz-Grabner-Preis initiiert, um im Andenken an den Namensgeber den Stellenwert des österreichischen Kino- und Fernsehdokumentarfilms zu stärken. (Foto Diagonale / Sebastian-Reiser)

Jury Franz-Grabner-Preis 2022: Claudia Wohlgenannt (Filmproduzentin, AT), Djamila Grandits (Kuratorin, AT), Paul Pauwels (Filmproduzent, BE), Nicole Baum (HR Internationale Fiktion und Dokumentarfilm ZDF/3sat, DE) und Stefan Kloos (Geschäftsführer Rise and Shine, DE)

Großes Beitragsfoto: Diagonale 2022 – Franz-Grabner-Preis: Regisseurinnen Danielle Proskar, (2.v.li.) sowie Weina Zhao und Judith Benedikt (4. und 5. von li.). (Foto Diagonale / Sebastian-Reiser)
 

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