Philipp Hochmair: work in progress und im Wandel

ROMY- Preisträger Philipp Hochmair ist erfolgreich mit seinen Interpretationen „Schiller Balladen Rave“ und „Jedermann Reloaded“ gemeinsam mit seiner Band „Die Elektrohand Gottes“ unterwegs. Greith Haus 2022 (Foto Reinhard A. Sudy)Der Vollblutkünstler Philipp Hochmair liebt den Mix aus Burgtheater, Serien wie den „Vorstadtweibern“ und „Blind ermittelt“, szenischen Lesungen und hochkarätigen Kinofilmen. 2018 sprang er kurzerhand in fünf Vorstellungen als „Jedermann“ für den erkrankten Tobias Moretti ein. 

Ich treffe Philipp Hochmair nach seiner unglaublich intensiven Aufführung „Schillers Balladen Rave“ im steirischen Greith-Haus. Seine Bühnenpräsenz und Performance machen einen immer wieder sprachlos. Nachdem er sich Zeit fürs Signieren und für Fotos genommen hat, stärkt er sich kurz und setzt sich dann noch mit mir zusammen. Er ist voller Adrenalin und steckt auch sprachlich noch in seiner Schiller-Rolle.

Philipp Hochmair nach seiner unglaublich intensiven Aufführung „Schillers Balladen Rave“ im Vorjahr im steirischen Greith-Haus. (Foto Reinhard A. Sudy)
Philipp Hochmair nach seiner unglaublich intensiven Aufführung „Schillers Balladen Rave“ im Vorjahr im steirischen Greith-Haus. (Foto Reinhard A. Sudy)

Als ich ihm die Fragen aller Fragen stelle, wie kann man sich soviel und noch dazu Texte von Schiller merken, antwortet er lächelnd: „Begeisterung für die Sache. Ich habe schon mit 17 den „Taucher“ auswendig gelernt, und es war mir immer eine große Freude, ihn bei unterschiedlichsten Anlässen einfach vorzutragen. Weil es eine so tolle Geschichte, tolle Sprache ist. Beispielsweise bei Freunden, nach einem gelungenen Abendessen. Und so ist das Projekt langsam entstanden.“

Faszinierend erzählt er weiter: „Es wird ja überalI gebaut. Auf der ganzen Welt, die Städte dehnen sich aus, überall sind Bauarbeiter am Werken. Und dachte plötzlich, es wäre großartig, wenn diese ganzen verschiedenen Menschen in ihren Warnwesten Schiller zitieren würden… Die Sprache sich mit den Baugeräuschen verbindet. So ist dieser Nährboden entstanden, indem ich Industrial Musik mit Schiller kombiniere.“

ROMY- Preisträger Philipp Hochmair ist erfolgreich mit seinen Interpretationen „Schiller Balladen Rave“ und „Jedermann Reloaded“ gemeinsam mit seiner Band „Die Elektrohand Gottes“ unterwegs – sein „Jedermann“ ist ein Rockstar. (Foto Reinhard A. Sudy)
ROMY- Preisträger Philipp Hochmair ist erfolgreich mit seinen Interpretationen „Schiller Balladen Rave“ und „Jedermann Reloaded“ gemeinsam mit seiner Band „Die Elektrohand Gottes“ unterwegs – sein „Jedermann“ ist ein Rockstar. (Foto Reinhard A. Sudy)

Begeisterung für alte Werke
Dem vielseitigen Künstler ist es sehr wichtig, alte Werke ins Heute zu retten. „Es war immer schon mein Ziel, diese alten Texte in unsere Zeit hinüberzuholen. Dieser Perspektivenwechsel, der sich durch so eine Ballade plötzlich einstellt, war für mich immer sehr faszinierend…

Erstaunlicher Weise ist aber mein Publikum nicht sehr jung, nicht Schüler, die sich über die neue Perspektive auf Schiller und Hofmannsthal freuen, sondern eher Menschen die in der Schule damit gequält wurden und diesen neuen Blick darauf schätzen.“

Flexibilität und Lust
Das Album „Jedermann Razelli RMX“ brachte Philipp Hochmair gemeinsam mit dem Mashup-Künstler Razelli heraus, von dem er einige Clips wie das „Genug ist genug“-Video über Sebastian Kurz gesehen hatte. „Ich fand seine Arbeit richtig toll, habe ihn angerufen und gesagt, hier bin ich, lets work together! Mit meiner Stimme und seinen Beats entstand -während der Pandemie- dieses Album – und daraus dann, als Theater wieder erlaubt war, eine Aufführung.“ Sie werden sicherlich noch weitere gemeinsame Projekte machen, wie er verrät.

Philipp Hochmair: "Ich habe mich immer für spezielle, extreme Charaktere interessiert und versucht, sie auch so nah wie möglich an mich heranzulassen. Im Theater waren das zum Beispiel Franz Moor aus Schillers 'Räuber' oder Mephisto in Goethes 'Faust', im Fernsehen Joachim Schnitzler in den 'Vorstadtweibern' oder zuletzt Heydrich in der 'Wannseekonferenz'. (Foto Reinhard A. Sudy)
Philipp Hochmair: „Ich habe mich immer für spezielle, extreme Charaktere interessiert und versucht, sie auch so nah wie möglich an mich heranzulassen. Im Theater waren das zum Beispiel Franz Moor aus Schillers ‚Räuber‘ oder Mephisto in Goethes ‚Faust‘, im Fernsehen Joachim Schnitzler in den ‚Vorstadtweibern‘ oder zuletzt Heydrich in der ‚Wannseekonferenz‘. (Foto Reinhard A. Sudy)

Seine Abende sind meist unterschiedlich, wie auch der im Greith Haus. „Heute war z.B. das erste Mal ein Schlagzeuger dabei. Es ist immer alles ‚work in progress‘ und im ständigen Wandel. Meine erste Fassung von „Schillers Balladen Rave“ war nur mit einem Schlagzeuger, danach habe ich die Band Elektrohand Gottes dazu geholt und jetzt habe ich den Schlagzeuger wieder mit eingebunden. Er erklärt mir, dass „die „Glocke“ eine ganz klare Struktur aus Lebensphilosophie oder Reflexion aus der Kultur enthält. „Und dann gibt es in der Versform auch spezielle Sätze, die den Bau der Glocke beschreiben. Man kann jetzt sagen, das ist eine große Baustelle, und die Glocke ist das Symbol für unsere Bautätigkeit oder unseren Forschertrieb, die Glocke ist ein Raumschiff oder die Glocke ist ein riesiges, energieerzeugendes Werk – wie man es auch in diesen Videos sieht. Dieses permanente Schaffen von Raum und von industriellen Stätten, das hat sich für mich sehr gut mit der Glocke verbunden.“

„Ich stelle mich der Kunst zur Verfügung. Das ist es, was ich liebe“

Alle meine Werke begleiten mich
Der Künstler braucht Herausforderungen und sucht immer wieder Neues, aber wie lange ist er von einer Geschichte fasziniert? „“Ewig“, kommt es sofort aus seinem Mund. „Ich brauche sehr lange, um das zu lernen, und dann ist es nie zu Ende. Ich gebe also Stücke, die ich einmal gelernt habe, nicht gerne her. Meine anderen Monologe, zwei von Kafka begleiten mich auch schon lange. ‚Der Prozess‘ habe ich vor 20 Jahren gemacht, ‚Amerika‘ vor 15 Jahren. Goethes ‚Werther‘ spiele ich schon seit 25 Jahren, es war meine allererste Rolle. Wenn ich ein Stück gelernt habe, dann möchte ich es einfach ewig weiterspielen.“

Offen erzählt er weiter: „Diese Stücke sind ja alle aus einem persönlichen Entwicklungsvorgang entstanden. Jeder Monolog war ein Abschied eines Lebensabschnitts. ‚Werther‘ war der Jüngling, der zum Mann wird, ‚Prozess‘ war die Verbeamtung am Burgtheater, ‚Amerika‘ von Kafka war vielleicht das innere Kind, das wie in der Therapie eines erwachsenen Mannes eine Stimme bekommt, und ‚Jedermann‘, der an seinem 40. Geburtstag stirbt, habe ich zu meinem eigenen 40er herausgebracht. Die ‚Schiller Balladen‘ sind jetzt gewissermaßen meine aktuellste Auseinandersetzung. Bruchhafte Geschichten, die, wie Kurzfilme, das Leben erzählen. Balladen die das Leben schildern.“

Für seine großartige schauspielerische Leistung als SS-Scherge Heydrich in ‚Wannseekonferenz‘ bekam Philipp wieder eine ROMY. Aber sagt man zu einer so herausfordernden Rolle gleich ja, möchte ich wissen. „Ich habe mir eine Bedenkzeit erbeten, und nach 4 Tagen habe ich mich dafür entschieden, und es war richtig so. Dass ich die Hauptrolle in einem Film spiele, der jetzt sogar ein Welterfolg geworden ist, ist natürlich toll. Aber klar, hat es mich gefordert und dass es so ausgehen wird, konnte natürlich auch niemand wissen.“

 

„Man muss immer im Prozess bleiben und die unterschiedlichsten Welten verbinden. Eine Trennung zwischen Klassik und Trash oder Pop- und Hochkultur ist für mich nicht sinnvoll.“ (Foto Reinhard A. Sudy)
„Man muss immer im Prozess bleiben und die unterschiedlichsten Welten verbinden. Eine Trennung zwischen Klassik und Trash oder Pop- und Hochkultur ist für mich nicht sinnvoll.“ (Foto Reinhard A. Sudy)

Ausnahmekünstler, Vollblutschauspieler, Extremschauspieler usw. sind Titel, mit denen Medien Philipp Hochmair beschreiben. Erzeugt das außer Freude auch Druck? „Die Menschen wollen immer Neues, und das ist vielleicht der Druck. Im Moment kann ich meine persönlichen Entwicklungsschritte anhand der Monologe und Filme gut erzählen. Aber es finden global so große Veränderungen statt… Es ist schwer zu erahnen, wie sich Film und Theater in Zukunft entwickeln wird.“

Kürzlich hat Philipp Hochmair bei der Arbeit mit Rafaela Pröll als Model, mit Mode und Fotografie wieder eine ganz neue Schiene eingeschlagen. „Das war auch ein Experiment. Beim Foto einen Ausdruck zu finden, der sich mit exzentrischer Kleidung verbindet, ist eine andere Art von Kreativität, als auf der Bühne zu stehen.“ Ist Dir Mode wichtig? „…klar“. Gehst Du gerne shoppen? „Nein. Die Sachen müssen auf andere Art zu mir kommen… durch Kostümproben, oder auch Flohmärkte usw. Aber Shoppen ist für mich nur Stress.“  

„Mode ist immer ein kreatives Ausdrucksmittel, wahrscheinlich das unmittelbarste und direkteste, das uns zur Verfügung steht“

Heuer geht es noch weiter mit Folgen von ‚Blind ermittelt“ und noch einigen anderen Filmen. Langweilig wird es ihm also sicher nicht. „Aber es ist manchmal gut, sich zu langweilen, denn da sortiert sich der Kopf.“ Aber kann du das überhaupt? „Ja, im Mai letzten Jahres war ich 10 Tage in Cannes, wo ich nach dem Filmfestival drei Tage Pause drangehängt habe, und das war richtig schön. Es war ein schönes Erlebnis, wie das Festival zu Ende ging und sich die Stadt beruhigt hat.“

Philipp Hochmair mit Isabella Holzmann, Künstlerische und Kaufmännische Leitung Greith Haus. (Foto Ulrike Rauch)
Philipp Hochmair mit Isabella Holzmann, Künstlerische und Kaufmännische Leitung Greith Haus. (Foto Ulrike Rauch)

Ins steirische Greith Haus kommt Philipp immer sehr gerne. „Das Greith Haus ist ein kreativer Ort, in einer wunderschönen Gegend, mit offenen Menschen und einer tollen Intendantin. Und zu wissen, dass Gerhard Roth um die Ecke wohnt, hat mich sehr inspiriert. Ich habe ihn sehr geschätzt!“

Großes Beitragsfoto: Philipp Hochmair im Greith Haus 2022. (Foto Reinhard A. Sudy)

www.steinfeldpr/de/Philipp-Hochmair   

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