Valerie Pachner: Selfcare ist wichtig

Ich traf die erfolgreiche Schauspielerin Valerie Pachner beim Eröffnungsabend der Diagonale in Graz. Hedi Grager und Valerie Pachner. (Foto Eduard F. Schwarzbach)Die international erfolgreiche Schauspielerin, die schon mit Größen wie Ralph Fiennes, Daniel Brühl und Emily Blunt arbeitete, wird bei den Salzburger Festspielen 2023 erstmals sowohl Buhlschaft als auch Tod verkörpern. 

Ich traf die großartige und vielfach ausgezeichnete Schauspielerin im Rahmen der Diagonale in Graz, als der Große Diagonale Schauspielpreis 23‘ an Margarethe Tiesel vergeben wurde. Valerie gehörte der Jury an und hielt gemeinsam mit Michou Friesz die Laudatio. Die Jury, die sich einstimmig entschieden hatte, schätzte bei Margarethe Tiesel ihre besondere Qualität, im Rampenlicht des Abseits zu glänzen. „Sie spielt oft Außenseiterrollen, transportiert dabei wichtige Themen und schafft es, auch kleineren Rollen ganz viel Tiefe und Komplexität zu geben. Sie verleiht damit den an den Rand Gestellten Würde und lässt ihnen diese auch. Es ist so beeindruckend, wie sie sich auch so uneitel ganz verschiedenen Rollen hingibt.“ Auf meine Frage, ob auch sie sich vorstellen kann, derart uneitel eine Rolle zu spielen, meint Valerie lächelnd: „Ich würde mal sagen ja. Margarethe ist auf jeden Fall eine Inspiration.“

Bei der Eröffnung der Diagonale in Graz hielten Valerie Pachner und Michou Friesz die Laudatio für Margarethe Tiesel, die den Großen Diagonale Schauspielpreis 23‘ erhielt. (Foto Diagonale / Sebastian-Reiser)
Bei der Eröffnung der Diagonale in Graz hielten Valerie Pachner und Michou Friesz die Laudatio für Margarethe Tiesel, die den Großen Diagonale Schauspielpreis 23‘ erhielt. (Foto Diagonale / Sebastian-Reiser)

Selfcare bei heiklen Rollen
Die 35-Jährige greift selbst sehr gerne herausfordernde und Tabu-Themen auf. „Auf jeden Fall, auch wenn es nicht immer und bei allen Rollen möglich ist. Ich merke aber schon, dass ich zu Rollen tendiere, oder sie kommen auch zu mir, die gewisse Schwierigkeiten mit sich bringen, an denen man sich reiben muss, wo man tief reingehen muss.“ Sie meint weiter: „Unterhaltungsfilme muss es geben, aber grundsätzlich liegen mir diese komplexen Rollen mehr, sie machen mir auch mehr Spaß und ich persönlich schaue solche Filme lieber als die großen Blockbusters. Das ist einfach so.“ Valerie spürt aber, dass es auch sehr anstrengend sein kann, sich nur in solchen Rollen aufzuhalten, und gibt sehr ehrlich zu, dass es schwierig für sie ist, aus solchen Rollen wieder rauszukommen. „Mittlerweile weiß ich, dass ich Zeit dafür brauche und mir dessen bewusst sein muss, bevor ich eine Rolle annehme.“ Sie ist sich bewusst, dass sie nach herausfordernden Rollen eine Pause machen muss, „oder dass gerade nicht der richtige Zeitpunkt dafür ist. Es ist auch eine Frage von Selfcare.“ Du hast also dazu gelernt, meine ich, worauf sie lachend meint: „Ja, Gott sei Dank.“

Der vielfach ausgezeichneten Schauspielerin Valerie Pachner macht es nach einigen internationalen Filmen wieder viel Spaß, in deutscher Sprache zu spielen und auf der Bühne zu stehen. Hedi Grager mit Valerie Pachner. (Foto Eduard F. Schwarzbach)
Der vielfach ausgezeichneten Schauspielerin Valerie Pachner macht es nach einigen internationalen Filmen wieder viel Spaß, in deutscher Sprache zu spielen und auf der Bühne zu stehen. Hedi Grager mit Valerie Pachner. (Foto Eduard F. Schwarzbach)

Freiheit in der Kunst und Freiheit in ihrer Arbeit waren Valerie immer wichtig. Diese hat ihr Regisseur Terrence Malicks in seinem Film „Ein verborgenes Leben“ gegeben, der die Geschichte des Bauern Franz Jägerstätter erzählt. „Ich habe zum ersten Mal mit ihm gearbeitet, kannte aber seine Filme und habe über ihn gelesen. So wusste ich, dass ich ihm sehr viel anbieten und meine Rolle ganz verkörpern würde müssen. Es ging nicht darum, die Szenen technisch gut zu spielen, sondern dafür musste ganz die Rolle sein, und so war ein Großteil meiner Vorbereitung eben ganz in diese Körperlichkeit und die Welt von dieser Frau einzutauchen. Und dann war es für mich gar nicht mehr schwierig, sondern eher ein Genuss, dass ich soviel Freiheit vom Regisseur bekommen habe. Es war einfach toll, weil ich wirklich mitgestalten und meine eigenen Themen einbringen konnte – und er auch froh war, wenn man seine eigenen Aspekte einbrachte.“

„Jeder Schauspieler spielt mit seinem eigenen Körper, seinem eigenen Geist, seiner eigenen Seele“

Ich frage die sympathische Schauspielerin, die ich erstmals 2018 im Rahmen der Diagonale interviewen konnte, ob es für sie nach soviel Freiheit bei der Arbeit nicht schwieriger war mit anderen Regisseuren zu arbeiten, und erfahre: „Es war schon eine Entwöhnung. Ich habe zwei Monate gedreht, was zwar nicht sehr lang ist, aber es war sehr intensiv. Danach merkte ich, dass ich beispielsweise nicht auf die Marken oder technische Prozesse geachtet habe. Ich hörte öfters, Valerie du musst dein Gesicht schon in die Kamera halten oder so“, lacht Valerie wieder ihr herrlich tiefes Lachen. „Ich bin beim Arbeiten sehr gerne autonom. Auch wenn ich noch gar nicht so viele Filme gedreht habe, fällt mir das schon auf. Ich bin sehr wählerisch und funktioniere am besten, wenn man mich in Ruhe lässt“, kommt es selbstbewusst von ihr. „Natürlich brauche ich dieses Auge von außen, aber gerne in einer Art von Dialog.“

Ihre Filme „Ein verborgenes Leben“, internationaler Titel „A Hidden Life“, und „Der Boden unter den Füßen“ haben ihr jeweils auf ihre Art und Weise besonders viel abverlangt. „Bei „A Hidden Life“ war es mehr die Geschichte und was der Figur passiert, nicht so sehr die Figur selbst. Die war eher kraftgebend. Bei „Der Boden unter den Füßen“ hat mir die Figur viel abgerungen, denn in ihr steckte soviel Anspannung. Wenn man das acht oder mehr Wochen im Körper hat und auch mental wie diese Figur drauf ist, ist das schon sehr anstrengend.“ Ich spreche sie auf ihre Aussage an, dass sie ihre Figur nicht mögen aber verstehen können muss. „Nach der Darstellung meiner Figur der Lola in „Ein verborgenes Leben“ hat mir jemand erzählt, dass ich nach den Szenen, wenn Cut war, oft so richtig gelacht habe. Die Rolle war nicht sympathisch und ich fand es arg, wie hart Lola zu sich selbst und zu anderen war. Durch das Lachen habe ich mich befreit davon. Ich mag es dennoch wirklich gerne Rollen zu spielen, die nicht unbedingt sympathisch sind – denn so sind Menschen ja auch.“

Nach der Schule lebte Valerie Pachner ein Jahr in Honduras, begann in Wien das Studium Internationale Entwicklung und studierte parallel studierte dazu Germanistik. Hedi Grager und Schauspielerin Valerie Pachner. (Foto Eduard F. Schwarzbach)
Nach der Schule lebte Valerie Pachner ein Jahr in Honduras, begann in Wien das Studium Internationale Entwicklung und studierte parallel studierte dazu Germanistik. Hedi Grager und Schauspielerin Valerie Pachner. (Foto Eduard F. Schwarzbach)

Sie begrüßt es sehr, dass es am Set jetzt immer öfters Intimacy Coordinators für Sexszenen gibt. “Den hatten wir auch bei Boden unter den Füßen. Es ist ein bisschen wie ein Tanz, und es ist wichtig, dass abgesprochen ist, wann man wie und wo angefasst wird. Denn zu schnell vermischt sich irgendetwas, und in so einem Fall bringen die klaren Grenzen mehr Freiheit und sind natürlich auch Schutz.“

Bei ihren internationalen Projekten spielte Valerie an der Seite großartiger Schauspieler wie z.B.  Ralph Fiennes, Daniel Brühl und Emily Blunt. „Das Spielen ist aber immer das Spielen, auch das am Set. Natürlich gibt es Unterschiede durch die Größe der Produktion, jeder hat plötzlich einen Fahrer, der den ganzen Tag auf einen wartet. Es sind Unterschiede, die rein monetäre Gründe haben, aber das Wesentliche wie die Arbeit und die Kunst sind in sich eigentlich immer sehr ähnlich.“

Erinnerungen an Graz
Valerie verließ ihr Zuhause schon sehr jung und war einige Zeit auch in Graz. „Ich war 16 Jahre alt und meine Firmpatin hatte mir einen Flyer über die Sommerschule des Theaters in Graz gegeben, da sie mein Interesse an Theater merkte. Da habe ich mitgemacht und es war eine super Erfahrung“, kommt sie ins Schwärmen. „Alle waren älter als ich, ich wohnte im Studentenwohnheim, habe auf eigene Faust gelebt und es war ein wahnsinnig tolles Programm. In diesen drei Wochen fühlte ich mich wie ‚in heaven‘. Ich habe auch so viele interessante Menschen kennen gelernt. Mit Graz verbinde ich also wirklich sehr schöne Zeiten, die auch ein ganz wichtiger Anstoß Richtung Spiel waren. Eigentlich wollte ich gar nicht Schauspielerin werden, ich wollte reisen. Diese Erinnerung an Graz, die Gefühle in Verbindung mit den Menschen dort haben eine Rolle gespielt, dass ich wieder zum Spielen gefunden habe.“ So kommt sie immer wieder gerne nach Graz zurück. „Die Diagonale ist ein angenehmer Grund und ein total schönes Zusammenkommen der Filmschaffenden Österreichs.“

Nach der Schule lebte Valerie Pachner ein Jahr in Honduras, begann in Wien das Studium Internationale Entwicklung und studierte parallel studierte dazu Germanistik. (Foto Mathias Bothor 2022)
Nach der Schule lebte Valerie Pachner ein Jahr in Honduras, begann in Wien das Studium Internationale Entwicklung und studierte parallel studierte dazu Germanistik. (Foto Mathias Bothor 2022)

Buhlschaft und Tod
Sehr gefreut hat sich Valerie über das Angebot für die Buhlschaft. „Vor allem in der Kombination mit dem Tod ist es für mich total spannend.“ Sie macht sich schon Gedanken darüber, wie sie die Rollen anlegen wird, „aber die intensivere Auseinandersetzung kommt natürlich erst mit den Proben. Aber ja, ich finde es aufregend, diese gegensätzlichen Rollen in diesem Stück spielen zu dürfen.“ Vergleiche mit ihren Vorgängerinnen zieht sie keine. „Dadurch, dass ich beide Rollen spiele, muss ich es losgelöst sehen und ich glaube, jede Schauspielerin muss immer von sich selbst ausgehen. Letztendlich spielt man ja mit seinem eigenen Körper, seinem eigenen Geist, seiner eigenen Seele.“

Ob Valerie die Buhlschaft auch nächstes Jahr spielen wird, ist offen. „Das weiß ich noch nicht. Aber wie es aussieht, werde ich gleich im Anschluss an die Buhlschaft wieder drehen. Es wird also ein intensiver Sommer, ein intensives Jahr.“

 

Valerie Pachner – Meilensteine ihrer Karriere
2019 Preisgekrönte Hauptrolle in Marie Kreutzers DER BODEN UNTER DEN FÜSSEN.
Hochgelobte und viel beachtete Premiere im Wettbewerb der 69. Internationalen Filmfestspiele Berlin.
Als Franziska Jägerstätter im Weltkriegsdrama EIN VERBORGENES LEBEN kam sie 2020 in die deutschsprachigen Kinos und sorgte auch international für große Aufmerksamkeit.
In der HBO-BBC-TV-Serie THE ENGLISH ist sie in drei Folgen vertreten und spielt an der Seite von Emily Blunt, Chaske Spencer, Stephen Rea, Rafe Spall, Ciarán Hinds und Toby Jones.
Im Prequel der international erfolgreichen THE KING’S MAN-Reihe unter der Regie von Matthew Vaughn war sie 2021 an der Seite von Ralph Fiennes, Rhys Ifans und Daniel Brühl zu sehen.
2022 Dritter Teil des Harry-Potter-Spin-Offs PHANTASTISCHE TIERWESEN: THE SECRETS OF DUMBLEDORE.
2023 gibt Valerie Pachner ihr Debüt als Buhlschaft und als Tod im JEDERMANN bei den Salzburger Festspielen.

Großes Beitragsfoto: Die international erfolgreiche Schauspielerin verkörpert 2023 die Buhlschaft und den Tod. (Foto Mathias Bothor 2022)

 

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