Der kometenhafte Aufstieg von Oksana Lyniv

Oksana Lyniv (Foto Serhiy Horobets)Die Chefdirigentin der Grazer Oper Oksana Lyniv ist eine sehr gefragte Künstlerin. Ich konnte sie aber vor einigen Wochen in Berlin treffen, wo sie gerade für die ‚Tosca‘ probte. In der Nähe der Deutschen Oper unterhielten wir uns bei einem gemütlichen Kaffee. 

Seit Oksana Lyniv 2017 das Chefpult der Grazer Oper mit Gespür und Temperament übernommen hat, geht es für sie kometenhaft nach oben. (Foto Serhiy Horobets)
Seit Oksana Lyniv 2017 das Chefpult der Grazer Oper mit Gespür und Temperament übernommen hat, geht es für sie kometenhaft nach oben. (Foto Serhiy Horobets)

Nach den Highlights der letzten Zeit befragt meinte sie, dass das sicherlich die ‚Salome‘ von Richard Strauss und die ‚Pique Dame‘ von Peter Tschaikowski waren. „Diese beiden sehr intensiven Stücke innerhalb kurzer Zeit zu dirigieren, hebt jeden Dirigenten auf eine weitere Ebene. Ich freue mich sehr, diese Erfahrung gemacht zu haben. Denn jedes Mal, wenn man diese Stücke wieder dirigiert, entdeckt man neue Details und neue Seiten – und ich freue mich darauf, diese Erfahrungen zu sammeln“, erklärt die attraktive Ukrainerin.

Oksana Lyniv: „Die Liebe zur Musik hat mich immer weiter geführt, war meine größte Unterstützung." (Foto Serhiy Horobets)
Oksana Lyniv: „Die Liebe zur Musik hat mich immer weiter geführt, war meine größte Unterstützung.“ (Foto Serhiy Horobets)

Seit Oksana Lyniv 2017 das Chefpult der Grazer Oper mit Gespür und Temperament übernommen hat, geht es für sie kometenhaft nach oben. Lächelnd meint sie: „In unseren Beruf kann man vor allen in den Anfangsjahren nie voraussagen, ob man Erfolg haben wird – besonders nicht als Frau. Ich hörte oft kritisch von Kollegen oder Agenturen, was ich mir da in den Kopf setzen würde und dass das nichts werden würde. Besonders deprimiert hat mich, als eine erfahrene Sängerin mir einmal sagte, dass ich nie solche Erfolge in meinem Beruf haben könne wie Männer.“ Leicht nachdenklich erzählt sie weiter: „Deshalb war und ist es ein Abenteuer. Jeder Tag bedeutet auch weiterhin viel Arbeit, in erster Linie an mir selbst.“ Das große internationale Interesse an ihr freut sie natürlich sehr, aber nicht nur für sie, wie sie betont, sondern dass mehr Dirigentinnen jetzt ihre Chance bekommen.

Der Traum wurde wahr
Die Chefdirigentin freut sich über mein Kompliment, mit wieviel Tiefgang, wie faszinierend und energievoll in ihren Bewegungen sie das Orchester und damit auch das Publikum führt. Wie sie mir erklärt, ist es ein ständiges Geben und Nehmen, Impulse führen von ihr zum Orchester und umgekehrt. „Die Liebe zur Musik hat mich immer weiter geführt, war meine größte Unterstützung. Natürlich habe ich mich in schwierigen Zeiten gefragt, ob ich etwas anderes machen könnte – aber ich sagte mir jedes Mal Nein, denn ich sah und sehe keinen anderen Sinn in meinem Leben. Auch wenn ich keinen großen Erfolg hätte, wäre ich trotzdem glücklich und würde ich in diesem Beruf bleiben. Denn dirigieren ist das, was ich kann und über alles liebe.“ Nach kurzem Nachdenken meint Oksana Lyniv noch: „Diese Liebe zu meinem Beruf ist so groß, dass ich immer dabei bleiben würde, auch wenn ich wenig oder gar nichts zurückbekommen würde – vielleicht ist das die Antwort für meinen Erfolg.“

Ich konnte die erfolgreiche Dirigentin Oksana Lyniv in Berlin treffen, wo sie für die ‚Tosca‘ probte. (Foto Reinhard A. Sudy)
Ich konnte die erfolgreiche Dirigentin Oksana Lyniv in Berlin treffen, wo sie für die ‚Tosca‘ probte. (Foto Reinhard A. Sudy)

Voller Emotion erzählt sie weiter: „Als ich Madame Butterfly an der Nationaloper Odessa dirigierte, konnte ich vor Weinen fast nicht auf die Bühne kommen, so ergriffen war ich, dass ich das erleben durfte. Jetzt aber sind viele Wege offen, und es gibt viele Angebote. Ich lerne neue Besetzungen, Stücke und Orchester kennen – das ist für mich immer noch ein Wunder. Mein Traum ist wahr geworden und das ich einfach sehr schön.“

Die erfolgreiche Dirigentin versucht jede Partitur so zu verinnerlichen, dass sie die Musik spüren und in ihr aufgehen kann. Dafür muss sie die Hintergründe ihrer Entstehung erforschen, verstehen, warum der Komponist das Stück so komponierte. „Aber am Ende muss ich spüren, dass ich die Musik selbst gestalte.“

Die erfolgreiche Dirigentin Oksana Lyniv versucht jede Partitur so zu verinnerlichen, dass sie die Musik spüren und in ihr aufgehen kann. (Foto Serhiy Horobets)
Die erfolgreiche Dirigentin Oksana Lyniv versucht jede Partitur so zu verinnerlichen, dass sie die Musik spüren und in ihr aufgehen kann. (Foto Serhiy Horobets)

Als Dirigentin ist Oksana Lyniv Einzelkämpferin und Teamplayerin zugleich. „Die Ersterarbeitung mache ich alleine, danach mit dem Orchester. Aber jeder Dirigent muss – im positiven Sinne – schon sehr individuell ticken, denn letztendlich liegt die ganze Entscheidung und Verantwortung bei ihm.“

Das Orchester, die Musiker sind natürlich sehr wichtig, sind sie doch das ‚Instrument‘ des Dirigenten. „Wir können uns viel ausdenken, aber wenn es nicht so umgesetzt wird oder misslingt, ist man sehr unglücklich“, verrät Osana Lyniv sehr offen. „Unser wichtigster Kontakt ist daher der zum Orchester. Jeder Mensch ist eigenständig und einmalig. Deshalb ist es vom ersten Moment an wichtig zu erkennen, wie ich mit dem Orchester umzugehen habe, wie eine Atmosphäre des Vertrauens entstehen kann. Denn der Prozess des Musizierens basiert darauf.“

Oksana Lyniv wird nach Vertragsende 2020 an der Grazer Oper vorerst freiberuflich und ungebunden arbeiten. (Foto Serhiy Horobets)
Oksana Lyniv wird nach Vertragsende 2020 an der Grazer Oper vorerst freiberuflich und ungebunden arbeiten. (Foto Serhiy Horobets)

Als ich die Dirigentin darauf anspreche darauf, ob sie während des Dirigierens merkt, was um sie herum auf der Bühne oder im Publikum passiert, meint sie: „Das ist unterschiedlich. Manchmal spürt man sofort, wenn die Konzentration des Publikums weg ist. Beispielsweise als bei „Pique Dame“ im Zuschauerraum jemandem schlecht wurde, spürte ich sofort, dass eine Tür aufging. In solchen Momenten versuche ich dann, mich nicht ablenken zu lassen und noch stärker in meiner Konzentration zu bleiben. Denn meine eigene Unkonzentriertheit würde sich auf die Musiker auswirken.“

Freiberufliche Zukunft
Oksana Lyniv, deren Vertrag mit der Grazer Oper bis 2020 gilt, wird diesen nach den drei Spielzeiten nicht verlängern. Sie wird in Zukunft vorerst freiberuflich und ungebunden arbeiten. „Es ist so, dass ich von verschiedenen prominenten Häusern aus Deutschland, Frankreich, der Schweiz oder England tolle Anfragen habe. Von diesen Häusern angefragt zu werden, ist ein absoluter Traum. Nach 2020 freue ich mich aber sehr darauf, als Gastdirigentin nach Graz zu kommen,“ erklärt sie mit einem charmanten Lächeln.

Oksana Lyniv freut sich über viele Anfragen prominenter Häuser aus Deutschland, Frankreich, der Schweiz oder England. "Von diesen Häusern angefragt zu werden, ist ein absoluter Traum", so die erfolgreiche Dirigentin. (FotoViktor Andriichenko)
Oksana Lyniv freut sich über viele Anfragen prominenter Häuser aus Deutschland, Frankreich, der Schweiz oder England. „Von diesen Häusern angefragt zu werden, ist ein absoluter Traum“, so die erfolgreiche Dirigentin. (Foto Viktor Andriichenko)

Die Dirigentin geht mit einem weinenden und einem lachenden Auge. „Ich fühle mich unglaublich wohl in Graz, in der Oper und mit dem Orchester. Wir haben zueinander gefunden, haben uns gegenseitig entwickelt und ich freue mich, dass viele Kritiker und Besucher der Oper Graz hervorgehoben haben, dass das Orchester meine Art und Ideen aufgegriffen und umgesetzt hat. Jedes Mal, wenn ich höre, was vom Orchester zurückkommt, berauscht mich das, und es ist ein gemeinsamer Zustand, den wir genießen.“

Neue Herausforderungen und Ziele
Das Arbeiten an unterschiedlichen Opern, das Zusammenfinden mit unterschiedlichen Orchestern ist anstrengend, aber jedes Mal sehr spannend, wie Oksana Lyniv betont. „Es wird für mich praktisch überall mein Debut sein mit jedes Mal neuen Herausforderungen.“ Sie lacht auf meine Anmerkung, dass ich fühle, dass sie immer neue Herausforderungen brauche.

Dirigentin Oksana Lyniv mit Tenor Rolando Villazón, Stiftung Mozarteum Salzburg (Foto Viktor Andriichenko)
Dirigentin Oksana Lyniv mit Tenor Rolando Villazón, Stiftung Mozarteum Salzburg (Foto Viktor Andriichenko)

Ein Lieblings-Opernhaus nennt sie mir nicht. „Aber natürlich gibt es viele legendäre Opernhäuser auf der ganzen Welt, die mich interessieren würden“, schmunzelt sie. Einige davon stehen schon auf dem Programm.

Heimatverbundene und engagierte Gründerin
Oksana Lyniv hatte es sich zum Ziel gemacht, verstärkt Stücke aus ihrer Heimat aufzuführen. Auf meine Frage, ob ihr das gelungen sei, erfahre ich: „Ja, wir haben in Graz, in Düsseldorf und im Linzer Brucknerhaus Stücke aus meiner Heimat gespielt. Ich biete auch immer wieder Konzerte an, da mir das sehr wichtig ist.“ In ihrer Heimat gründete sie das „Ukrainische Jugendsymphonieorchester“, in dem musikalisch hochbegabte Kinder und Jugendliche aus allen Teilen der Ukraine musizieren.

Oksana Lyniv gründete in ihrer Heimat das „Ukrainische Jugendsymphonieorchester“, in dem musikalisch hochbegabte Kinder und Jugendliche aus allen Teilen der Ukraine musizieren. (Foto Serhiy Horobets)
Oksana Lyniv gründete in ihrer Heimat das „Ukrainische Jugendsymphonieorchester“, in dem musikalisch hochbegabte Kinder und Jugendliche aus allen Teilen der Ukraine musizieren. (Foto Serhiy Horobets)

Sie ist auch die Gründerin und Art Directorin des LvivMozArt Festivals in Lemberg (Ukraine), das erstmals im August 2019 stattfinden wird. „Das Mozartfestival wird vom 2. – 11. August dauern, zentraler Höhepunkt ist das große Gedenkkonzert zu Ehren des Schriftstellers Joseph Roth. Begeistert erzählt sie, dass sie dafür einen außergewöhnlichen Ort gefunden hat, die Ruine einer alten Synagoge, die im zweiten Weltkrieg zerbombt wurde. „Joseph Roth kommt wie ich aus Brody und hat mit seiner Familie diese Synagoge besucht. Zum Gedenken werde ich die 2. Sinfonie von Leonard Bernstein dirigieren. Er ist der Sohn von jüdischen Immigranten aus der Ukraine und seine Eltern kommen aus der Umgebung von Brody. Diese historischen Verbindungen sind eine unglaubliche Geschichte.“

Oksana Lyniv: „Das Ukrainische Jugendsymphonieorchester wird beim Mozartfestival die 9. Sinfonie von Beethoven spielen - und dieses bringen wir im Kulturjahr Österreich-Ukraine 2019 am 9. und 10. September in den Musikverein nach Graz. (Foto Serhiy Horobets)
Oksana Lyniv: „Das Ukrainische Jugendsymphonieorchester wird beim Mozartfestival die 9. Sinfonie von Beethoven spielen – und dieses bringen wir im Kulturjahr Österreich-Ukraine 2019 am 9. und 10. September in den Musikverein nach Graz. (Foto Serhiy Horobets)

„Das Ukrainische Jugendsymphonieorchester wird beim Mozartfestival die 9. Sinfonie von Beethoven spielen“, erzählt die Dirigentin weiter, „und dieses bringen wir im Kulturjahr Österreich-Ukraine 2019 am 9. und 10. September in den Musikverein nach Graz. Da werden fast 130 Personen nach Graz kommen“, freut sie sich. „Ich werde auch in Graz sein und freue mich sehr, so schöne Sachen machen zu können.“

Oksana Lyniv privat
Die Dirigentin braucht keinen Sport zu machen, das Dirigieren ist körperliche Anstrengung genug und braucht viel Kraft. „Aber die beste Wirkung hat auf mich Wasser“, verrät sie. „Im Sommer versuche ich mindestens eine Woche lang ans Meer zu fahren. Am liebsten irgendwo abgelegen, an eher einsame wilde Strände. Im Winter versuche ich dann Zeit zu finden, um in die Schwimmhalle zu gehen.“ Das hilft ihr nach anstrengenden Stunden des Dirigierens oder Sitzens an einer Partitur am besten. 

Die erfolgreiche Dirigentin Oksana Lyniv lebt nach dem Motto: Ich lebe jetzt. (Foto Serhiy Horobets)
Die erfolgreiche Dirigentin Oksana Lyniv lebt nach dem Motto: Ich lebe jetzt. (Foto Serhiy Horobets)

Sie lebt nach dem Motto: Ich lebe jetzt. „In meinem Kopf laufen Vorbereitungen und Planungen für 3-4 Jahre im Voraus. Trotzdem packt mich am meisten, was ich jetzt probe und dirigiere. Jedes Stück verändert mich. Man wird auf eine Art offener und noch sicherer und diese Erfahrungen bereichern unglaublich und machen innerlich glücklich.“

Am Ende unseres Gespräches verrät sie mir noch eine schöne Geschichte: Sie hat 8 Jahre lang als Schmuckdesignerin für eine ukrainische Designerin gearbeitet. Und das sehr erfolgreich. „Während meines Studiums habe ich abends noch Schmuck designt. Als ich nach 8 Jahren damit aufhörte, gab es noch einige Stücke in ihrem Geschäft und es kam jemand, der mich unbedingt kennenlernen wollte. Wie er hörte, dass ich nicht mehr designen werde, hat er alle restlichen Stücke aufgekauft“, lacht sie stolz. Sie zeigt mir dazu noch einige Fotos von unglaublich kreativen und schönen Schmuckstücken, die auch in großen Magazinen veröffentlicht wurden.

Die Dirigentin Oksana freut sich auf viele interessante Opernhäuser und auf neue Herausforderungen. (Foto Viktor Andriichenko)
Die Dirigentin Oksana freut sich auf viele interessante Opernhäuser und auf neue Herausforderungen. (Foto Viktor Andriichenko)

Ja, Oksana Lyniv braucht tatsächlich immer neue Herausforderungen, sie ist und bleibt neugierig und immer für Überraschungen gut.

Großes Beitragsfoto: Die erfolgreiche Dirigentin Oksana Lyniv freut sich auf Engagements in vielen interessanten neuen Opernhäusern. (Foto Viktor Andriichenko)

 

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